Die Sprache der Vögel:
Vögel kommunizieren unentwegt. Wenn du dich mit dem Vogelvolk noch nicht so
gut auskennst, kann es sein, dass du die Vielzahl der Gesänge und Rufe verwirrend
findest. Oder du kennst dich schon ein wenig aus und erkennst die Amsel, das Rotkehlchen
oder den typischen Ruf einer Elster, welche sich wie eine raschelnde Streichholzschachtel anhört.
Wenn du Singvögel eine Weile beobachtest, wirst du aber feststellen, dass sie eine Vielzahl von
Lautäußerungen von sich geben und viele davon scheinen kein Gesang zu sein. Es gibt natürlich diverse Begriffe unter Vogelkundlern und Wildnisleuten: Alarmrufe, Gesänge, Bettelrufe u.v.m., doch was hat es damit auf sich und wie kannst du sie erkennen?
Man muss nicht jeden Vogel nach seiner Art bestimmen können.
Um Vogelsprache zu verstehen, brauchst du das eigentlich nicht. Denn es geht dabei um viel mehr, als um die bloße Artbestimmung! Vogelsprache gibt dir eine Menge Information über das Tier, die Landschaft in der es lebt, mit wem es interagiert, wie es sich fühlt und wer seine Feinde sind. Und das ist etwas anderes, als zum Beispiel eine Amsel anhand ihres Gesanges als solches identifizieren zu können. Mit ein paar Kenntnissen über diese universelle Sprache des Waldes und der Wiesen, kannst du dich dort draußen neu verbinden. Du kannst dich in das komplexe Netz des Lebens einklinken und mehr und mehr über die Zusammenhänge in der Natur erfahren.
Wenn du draußen unterwegs bist und dort einen Vogel antriffst, wirst du recht schnell sagen können, ob er entspannt oder ängstlich ist. Dafür brauchst du keinesfalls seinen Namen zu kennen. Du brauchst ihn nur zu beobachten. Wir alle haben einen intuitiven Zugang zu Tieren und anhand ihrer Lautäußerungen und ihrer Körpersprache übertragen sie Stimmungen, die wir sehr leicht interpretieren können. Ein Eichelhäher der seinen rätschenden „krschäääh“-Warnruf von sich gibt, ist in dem Moment garantiert nicht entspannt.
In der Natur gibt es im Prinzip nur zwei Stimmungen: Harmonie oder Alarm.
Diese beiden Grundzustände wechseln sich unentwegt ab, während der Vogel das tut, was er tun muss: fressen, sich putzen, jagen, ruhen, sich paaren, sich streiten, flüchten, sich verstecken, seine Jungen aufziehen uvm. Den harmonischen Grundzustand beschreiben wir auch als harmonisches Grundmuster oder als „baseline“. Den Alarm dagegen bezeichnen wir auch als „gestörte baseline“, was nichts anderes bedeutet, als dass die Harmonie gestört ist.
Wenn du diese beiden Grundmuster erfahren möchtest, geh doch bei deinem nächsten Wandering einmal durch den Wald und versuche nur zu spüren, ob die Vögel, denen du begegnest, friedlich sind oder ob sie Angst haben. Singende Vögel sind für uns Menschen instinktiv der Inbegriff von Frieden und Harmonie.
Sicher ist dir schon
einmal aufgefallen, dass
die Vögel nicht immer
gleich intensiv singen. Es
gibt Aktivitätsspitzen
(dazu zählt der Gesang,
aber auch das Fressen,
sich Putzen, Nestbau,
Paarung etc. ) und
ebenfalls gibt es Zeiten
der Ruhe.
In einem ungestörten Raum schwingen sich die Vögel, Tiere und alle Lebewesen in diesen Reigen ein, genauso wie wir Menschen frühstücken, intensiv arbeiten, Mittagspause machen, am Nachmittag ein kleines Energietief haben und vielleicht zum Abend hin noch einmal so richtig wach werden. Auch das Wetter spielt eine Rolle in dieser Baseline-Symphonie. Bei Starkregen oder Sturm wirst du beobachten können, dass sich auch die Vögel sehr ruhig verhalten, während du bei klarem Sonnenschein viel Vogelaktivität beobachten kannst.
Das Prinzip dieser Baseline kannst du übrigens sehr schön auf deinem Sitzplatz erleben. Variiere doch einmal ganz bewusst die Tageszeiten oder geh einmal in strömendem Regen dorthin.
Vielleicht bist du im Frühjahr schon einmal sehr früh morgens vom intensiven Gesang der Vögel geweckt worden? Mit dem Aufgehen der Sonne, beginnen sie ihren Tag und da die Sonne überall auf der Erde aufgeht, aber nicht zur selben Zeit, wandert der Morgengesang der Vögel einmal um den gesamten Erdball. Ist das nicht wunderschön?
Mir fällt es jeden Morgen auf, wenn es draußen noch dunkel ist und die ersten Amseln ihr Rufen anstimmen. Mittlerweile weiß ich genau an welche Stellen ich meinen Blick wenden muss um die Amsel zu erblicken.
Da Amseln sich wirklich immer den höchsten Punkt für ihre Symphonien aussuchen, ist es nicht schwer diese zu finden.
Schmunzeln muss ich jedesmal auf`s Neue, wenn ich an meinem Arbeitsplatz auf unseren Balkon stehe und weithin hörbar den Ruf einer Amsel vernehme. Ein kurzer Blick nach links auf den Antennenmast und ich finde sie. Eigentlich bräuchte man keine Uhr, denn ein wenig auf den Ruf der Vögel und dessen Intensität achten und man weiß eigentlich recht genau, welche Tageszeit es gerade ist.
Jede Landschaft hat ihren unverwechselbaren Sound, je nachdem welche Arten dort heimisch sind. Die Baseline-Symphonie ist aber ein universelles Prinzip und funktioniert daher in allen Teilen der Erde.
Hast du schon einmal einen Stein ins Wasser geworfen und dir angesehen, wie um ihn herum konzentrische Wellen oder Kreise entstehen? Wenn es in einem natürlichen Lebensraum zu einer Störung der Baseline kommt, weil z. B. ein Sperber durch den Garten zischt, dann reagieren die anwesenden Vögel umgehend mit Alarmen darauf. Der Vogelalarm wird vom nächsten Vogel
weitergetragen und so geht er hinaus ins Land und ist sogar in der Lage, weite Distanzen zu überwinden. Die Vögel informieren sich also gegenseitig über Gefahren und genauso verstehen die Tiere diese Botschaften und reagieren darauf. Wenn wir
Menschen etwas darüber lernen, was die Vögel sagen, können wir uns gleichermaßen in dieses ausgeklügelte Alarmsystem einklinken und und uns darüber mit allen Wesen verbinden. Doch wie erkennt man nun Harmonie oder Alarm?
Der harmonische Grundzustand von Vögeln hat 4 Ausdrucksformen, die du gut
beobachten kannst.
Gesang: Wissenschaftlich betrachtet singen (meist männliche) Vögel, um ihre
Reviere abzustecken oder um ein Weibchen auf sich aufmerksam zu machen
(Balz). Aber ich bin davon überzeugt, dass Vögel auch aus purer Freude und
Liebe zum Leben singen und diesen Gesang der Freude empfinden wir als
besonders harmonisch und schön. Darüber hinaus ist der Gesang arttypisch
und kann zur Artbestimmung verwendet werden.
Kontaktrufe: Vögel einer Art halten miteinander Kontakt, besonders dann, wenn
sie als Paar zusammengefunden haben. Aber auch Vogelschwärme oder Gruppen
von Jungvögeln vergewissern sich einander, indem sie Kontaktrufe aussenden.
Dies sind oft kurze, weiche, wiederkehrende Rufe und wenn wir uns in diese
Stimmung einfühlen, dann klingt es fast so, wie ein fortwährendes Frage-
Antwort-Spiel: „Wo bist du?“ „Hier!“ „Was machst du denn?“ „Ich fresse, alles
gut“ „geh nicht so weit weg!“ „Nein, mach ich nicht“... Unsere SMS an die
Freundin, unsere Kinder oder den Partner sind im Grunde genommen nichts
anderes, denn auch so halten wir Kontakt miteinander und senden ganz ähnliche
„Stimmungs-Fühlungslaute“. Wenn Kontaktrufe positiv und verlässlich
beantwortet werden, fühlen wir uns sicher und das ist bei den Vögeln genauso.
Bettelrufe: Sobald die Jungvögel ausgeschlüpft sind, beginnt für Vogeleltern eine
anstrengende Zeit, denn die Kleinen beginnen sehr bald, nach Futter zu betteln.
Im Frühling kannst du das wunderbar beobachten. Auch wenn es sehr aufgeregt
klingt, so sind Bettelrufe dennoch im Harmoniespektrum verortet, denn nach
Futter schreiende Vogelkinder haben eines nicht: Angst!
Innerartliche Aggression: Dieses etwas sperrige Wort bedeutet, das sich zwei
Vögel der gleichen Art miteinander streiten. Das Streitobjekt kann eine
Reviergrenze sein, die in Frage gestellt wird oder ein Regenwurm, den beide
haben wollen. Diese Auseinandersetzungen können sehr (!) aufgebracht und
wütend klingen oder aussehen. Beobachte im Frühling einmal zwei
Amselhähne beim Verteidigen ihrer Reviergrenzen! Aber dennoch sind sie eine
Ausdrucksform eines harmonischen Grundzustandes. Würde nämlich plötzlich
ein Sperber oder Habicht auftauchen, wäre der Streit binnen Millisekunden
vergessen, denn jetzt ginge es plötzlich um Leben oder Tod.
Die 5. Stimme der Vögel ist der Alarm.
Alarm äußert sich stimmlich durch sogenannte Alarmrufe. Je nachdem, um welchen Angreifer es sich handelt, vor dem ein Vogel Angst hat, klingen sie unterschiedlich. Wir unterscheiden Luftalarm und Bodenalarm.
Ein Luftfeind ist beispielsweise eine jagende Eule, ein Sperber oder ein Turmfalke. Wird dieser Angreifer entdeckt und von einem Vogel für bedrohlich befunden, dann sendet er einen sehr hohen, langgezogenen Pfeifton aus (z.B. „Sriiiiiii“), gefolgt von Stille. Diese hohen Frequenzen können vom Luftfeind nur schwer geortet werden. Ein Bodenfeind könnte z.B. ein Mensch, ein Fuchs oder ein Wiesel sein und Vögel reagieren darauf mit artspezifischen Bodenalarmrufen, die oft niedrigere Frequenzen aufweisen. Wenn du magst, kannst du dich mit guten Vogel Apps (z.B. vom NABU) in die unterschiedlichen Rufe hineinhören.
Alarmmuster:
Aber wie du ja schon weißt, haben Vögel noch viel mehr Ausdrucksformen zur Verfügung, als nur ihre Stimme und damit sind wir bei den sogenannten Alarmmustern. Alarmmuster sind Ausdrucksformen und Verhaltensweisen, die du draußen in der Natur sehr gut beobachten kannst und die dir viele Informationen über das Tier, den Angreifer und die Gefährdungsintensität geben können. Hier sind nun ein paar davon.
Der Wächter:
Bestimmt hast du schon einmal gesehen, dass viele Vögel gern e auf Strommasten , in Baumwipfeln oder auf Hausdächern sitzen. Auf
dieser erhöhten Position ruhen sie gern aus, aber gleichzeitig haben sie dort einen sehr guten Überblick und können Gefahren schnell und sicher verorten. Wächtervögel kannst du also sehr oft beobachten und ihre Schnabelspitze weist immer zur Gefahr hin. Wenn sie in Bodennähe unterwegs sind, kann sie auch eine plötzlich auftretende Gefahr dazu bewegen, sich in Sicherheit zu bringen. Auch diese
Aufwärtsbewegung wird mit dem Alarmmuster des Wächters beschrieben.
Innerhalb von Vogelgruppen kannst du manchmal beobachten, das ein besonders erfahrener Altvogel die Rolle des Wächters einnimmt, während die anderen Gruppenmitglieder z.B. fressen. Vor allem im Winter macht diese Arbeitsteilung Sinn, denn Nahrung ist knapp und die Zeit drängt. Würden alle permanent „wächtern“ so würde wohl niemand rechtzeitig satt werden. Auch z.B. in Graugans-
Gruppen kannst du die Wächter ausmachen, wenn du genau hinsiehst. Manchmal sind es auch zwei oder drei Tiere, die diese Funktion übernehmen, je nach Gruppengröße oder Predationsdruck
Explosion:
Stell dir einmal folgende Situation vor: Du bist auf dem Weg zur Arbeit und läufst
mit zügigen Schritten durch einen Park. In diesem Park leben Amseln, die gerade
dabei sind, auf der Wiese neben den Wegen Regenwürmer aus dem Boden zu
ziehen. Sie beobachten dich aus den Augenwinkeln, fressen aber weiter und
zeigen sich nicht sonderlich beunruhigt. Plötzlich aber siehst du links von dir
eine Frau ausrutschen und hinfallen. Du änderst spontan und schnell die
Richtung und rennst auf sie zu, um ihr zu helfen. Die Amseln fliegen in Panik auf
und flüchten in die entgegengesetzte Richtung. Dieses Alarmmuster nennen wir Explosion.
Haken:
Beim Haken könnte die Situation so aussehen: du hast einen sehr alten Kater.
Dieser Kater wandert für gewöhnlich ein paar Mal am Tag sehr gemächlich durch
deinen Garten. Die Vögel kennen ihn natürlich und wissen, dass von ihm wenig
Gefahr ausgeht. Dein Kater wandert also in Richtung Amsel und diese fliegt
daraufhin ein kleines Stückchen hoch auf den nächsten Baum. Diese
Aufwärtsbewegung nennen wir den „Haken“. Vögel vergeuden niemals wertvolle
Energie, daher fliegen sie nur gerade so hoch, wie nötig. Der Haken ist ein
Zeichen dafür, dass dem Vogel die Gefahr bekannt ist. Wenn Vögel auf dich mit
einem Haken reagieren, so ist das ein Kompliment.
Abtaucher:
Der Abtaucher ist die Rückwärtsbewegung des Hakens. Die Gefahr ist vorüber
und der Vogel kehrt zurück in den harmonischen Grundzustand.
Manchmal kann man allerdings beobachten, dass Vögel plötzlich wie ein Stein
vom Himmel fallen. Auch dieses Muster nennen wir Abtaucher, aber der Grund
dafür ist ein plötzlich auftauchender Luftfeind, dem die Vögel schnell
entkommen wollen.
Regenschirm:
Der Regenschirm ist ebenfalls faszinierend zu beobachten. Stell dir
einen Baum vor, in dem eine hungrige Eule sitzt. Sobald die Eule
von den Vögeln entdeckt wird, reagieren sie rund um den Sitzplatz
der Eule mit deutlichen Alarmrufen und weisen mit den Schnäbeln in
ihre Richtung. (Eine sitzende Eule wird übrigens interessanterweise
mit Bodenalarmrufen angezeigt, denn sie bewegt sich nicht. Auf
fliegende Luftfeinde reagieren Vögel mit Luftalarmen). So ein
Regenschirm kann auch über einem Busch entstehen, in dem sich
ein Räuber versteckt
Popcorn:
Als Popcorn bezeichnen wir einen „wandernden“ Regenschirm. Ein Fuchs, der
hinter einer Hecke entlang schleicht wird so von den Vögeln angezeigt.
Spannend daran ist, dass du anhand des Popcornalarmes Rückschlüsse auf den
Beutegreifer ziehen kannst, auch wenn du ihn nicht siehst. Denn Tiere bewegen
sich unterschiedlich. Ein Fuchs schnürt vielleicht zügig hinter der Hecke
entlang und entsprechend gleichmäßig wandert der Alarm. Ein Hermelin
jedoch springt ruckhaft, wartet, schaut und springt dann wieder. Daher würdest
du auch einen unregelmäßigen, wandernden Alarm wahrnehmen können. Du
siehst, es ist wichtig, die Tiere gut zu kennen, denn dann kannst du auch die
Alarme richtig deuten. Aber dann wird es dort draußen richtig spannend und
Hier siehst Du nochmal ab wann welcher Vogel morgens mit seinem Gesang anfängt: