Wie wichtig ist Biodiversität?
„Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr.“
(Albert Einstein)
Biodiversität beschreibt als Oberbegriff die Vielfalt der Natur.
Definition:
Biodiversität oder biologische Vielfalt ist ein Konzept der Biowissenschaften für die Vielfalt und Variabilität des Lebens in einem bestimmten Landschaftsraum oder in einem geographisch begrenzten Gebiet.
Die Küsten, das Watt, sind von anderer Biodiversität als das Gebirge oder die Moore. Wälder, Sumpflandschaften und Auenwälder. Auch große Lichtungen mit blühenden Wiesen, die früher oft von den wahren Landschaftsarchitekten Wisent oder Elch geschaffen wurden, beide übrigens in kleiner Kopfzahl heute wieder zurück. Das lässt sich weiter runterbrechen bis in kleinste Areale, wie Flussuferzonen, der städtischen Begrünung oder unseren Vorgärten, auch den Schrebergärten.
Zu jedem dieser Areale gesellen sich bestimmte Arten von Pilzen, Pflanzen und Tiere, die voneinander und ineinander abhängige Ökosysteme bilden. Und hier kommen wir zur Artenvielfalt und der genetischen Vielfalt. Beides sind weitere Unterkategorien der Biodiversität.
In Deutschland sind Städte mit ihren Schrebergärten und Parkanlagen, sowie viele Vorgärten inzwischen tatsächlich von deutlich größerer messbarer Artenvielfalt und Biodiversität als die ländlich genutzten Flächen, also als unsere “Wälder” und Felder. Kaum zu glauben, dass das was wir “Land” oder Natur nennen, heute messbar weniger Pflanzen und Tierarten beherbergt als Großstädte.
Die ausschließlich auf Ertrag getrimmte Kulturlandschaft mit ihrer Agrar- und Holzwirtschaft, ist verantwortlich für immer weniger Leben und Artenvielfalt.
Knapp 51% der Fläche Deutschlands wird landwirtschaftlich genutzt, davon übrigens die Hälfte zur Herstellung von Tierfutter (das entspricht der Fläche von Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt zusammen !!).
Knapp 30% aller Flächen nennen sich Waldflächen, dienen aber fast ausschließlich der Holzwirtschaft.
Ertragsreich Baum neben Baum, schnellwachsend wie unter Laborbedingungen haben sie meist mit einem ursprünglichen Wald im Sinne des Artenreichtums absolut nichts mehr gemeinsam.
Siedlung und Verkehr machen mit 14,5%, etwa nur ein Siebtel der Gesamtfläche in Deutschland aus.
Heiden gab es ursprünglich nur in sehr wenigen Winkeln Deutschlands, in denen es natürlicherweise keinen Wald gab: an Küsten, in Mooren und im Gebirge. Erst mit der Bewirtschaftung der Flächen sind auch an anderen Orten nach und nach Heideflächen entstanden.
Die Flächen werden heute als Weideland für Schafe genutzt. Sie fressen junge Pflanzen und Triebe und verhindern so, dass die Flächen wieder zuwachsen. Sie erledigen also zum Teil auch den Job den wir dem Reh- und Rotwild in den Holzplantagen zum Vorwurf machen und der ertragsschmälernde Verbiss dann als Begründung zur Bejagung genommen wird.
Hier sind es “Verbissschäden”, da heißt es Landschaftsschutz.
Zweifellos ist in den Heidelandschaften dadurch sehr viel an Artenvielfalt entstanden, aber eben indirekt durch den Menschen, der die von der Natur vorgesehenen Wildtiere erschießt und stattdessen domestizierte Nutztiere wie Schafe und Schnucken kostenintensiv zum Schutz des entstandenen Landschaftsbildes einsetzt. Es entsteht ein natürlich wirkendes Landschaftsbild, welches aber von Mutter Natur in weiten Teilen nicht erhalten werden würde.
Schon die natürliche Anwesenheit des Wolfes wird für diese Art der Biodiversität oft als Problem verstanden, denn diese domestizierten Weidetiere sind keine Wildtiere. Sie sind zu pflegen, zu “halten” und kostenintensiv zu schützen, sie kommen ohne den Menschen in wirklicher Natur nicht zurecht.
Das gilt zB. auch für korsische Mufflons. Des Jagdspaßes und der Trophäe wegen aus ursprünglichen gebirgigen Steilhängen in norddeutschen weichen Flachlandebenen angesiedelt, hat das mit Naturschutz nichts gemein.
Den kostenintensiven Landschaftsschutz dann auch noch kostenintensiv vor dem Wolf zu schützen, kommt vielen Kulturlandschaftsanhägern in ihrer Betrachtungsweise dann zu teuer. Sie lehnen daher den Wolf trotz aller EU-Förderungen konsequent und kategorisch ab, oft auch im Verbund mit der Jagdlobby, die andere “Beweggründe” in der Dezimierung des Wolfes sehen, sich hier dann aber gern als Partner erweisen. Die heutigen Haltungsbedingungen haben sich durch die Präsenz der Spitzenprädatoren wie Luchs und Wolf geändert und müssen durch entsprechenden Herdenschutz neu und unausweichlich angepasst werden.
Umfragen ergeben, dass über 70% des Volkes für den Wolf sind. In einer Demokratie passen sich Minderheiten für gewöhnlich an, jagdliche Minderheiten offensichtlich nicht, zu groß sind offenbar monetäre Verluste, nicht vereinbar wohl der Verlust von Schieß,- und Tötungsspaß.
Effektiver Herdenschutz ist eine komplexe Angelegenheit. Jede Weidefläche ist anders, deshalb sollten Weidetierhaltende Lösungen für die jeweilige Fläche individuell mit erfahrenen Herdenschutzberater*innen besprechen. Herdenschutz kann keine hundertprozentige Garantie bieten, Risse vollkommen zu verhindern: Wenn der Storm absinkt, oder ein Zaun z.B. durch Wildtiere oder Sturm beschädigt wird, ist der Schutz nicht mehr gewährleistet. Auch gibt es zwar selten, aber immer wieder besonders schlaue Wölfe, die Wege finden, Schutzzäune zu überwinden. Herdenschutz minimiert die Risse jedoch signifikant und nachhaltig. Ziel muss es sein, Herdenschutz-Maßnahmen abweisend zu gestalten, ohne den Mehraufwand für die Halter*innen über ein praktikables Maß zu treiben.
Ein ähnliches Bild offenbart sich an vielen Küstenregionen. Dass der Mensch in ehemaligen Überflutungsgebieten baut, dann Flüsse begradigt, heute direkt am Meer wohnt, einst günstig erstanden, dann Deiche errichtet, um sie dann aufwendig zu pflegen und Instand zu halten und auch hier tatsächlich Natur sogar bekämpft, könnte man maximal noch mit Tradition begründen. Längst aber gibt es fantastische Alternativen, tolle Projekte von denen Bauern, Naturschützer, Touristen und Steuerzahler gleichermaßen profitieren.
Die Verantwortlichen bei Usedom zB. fassten vor vielen Jahren einen überraschenden Beschluss. Die Dämme wurden nicht mehr repariert und das Gras nicht von Schafen kurz gehalten, die Wassermassen nicht herausgepumpt. Seither kann man beobachten, was auf solchen Gebieten geschieht, die sich übrigens kostengünstig, selbst überlassen bleiben. Zu den Höhepunkten dieser Entwicklung gehören sicher die für Deutschland ersten Bruten von Stelzenläufern und Weißbart-Seeschwalben. Heute stehen in der neuen Wildnis hinter dem ehemaligen Deich weite Flächen unter Wasser. Wo einst Kühe weideten, liegt jetzt ein flacher See, in dem Schilf und Knöterich wachsen. Schwarzhalstaucher und Kiebitze, Tafel-, Löffel- und Stockenten sind hier eingezogen. Seeadler und Kraniche, Wendehals (nicht Politiker) und Wespenbussard und Waldwasserläufer ziehen genau wie auch Biber und Fischotter hier ihren Nachwuchs auf. Artenvielfalt entstand und davon abgesehen auch eine unfassbar schöne Landschaft, anders als unsere oft schnöde Küstenregion. Die Deiche wurden weit ins Land verlegt, konnten dann deutlich kleiner ausfallen und auch deutlich kürzer, da nur noch direkt um Ansiedlungen geschaffen. Die entstandenen, oben beschriebenen langen Naturflächen wirken auch enorm den Kräften einer Sturmflut entgegen, “bremsen” die Wucht der Sturmfluten ins Landesinnere gewaltig ab. Auch sind diese nahezu “wartungsfrei”, bedürfen nicht mehr der teuren und aufwendigen Schafhaltung (siehe Anlage).
Link zur Deichalternative. Was Schafe früher, erledigen heute
Andere europäische Staaten sind mit solchen Projekten weiter. Sie renaturieren, weisen konsequent echte Naturschutzgebiete aus, in denen tatsächlich die Natur im Gesamtkontext geschützt wird und nicht wie bei uns lediglich eine vereinzelte Spezies, während alle bejagdbaren Wildtierarten weiterhin in NSGs bejagt werden dürfen.
So wundert es nicht, dass vor kurzem in der EU-Biodiversitätsstrategie bis 2030 klare gemeinsame Ziele beschlossen wurden, die in die richtige Richtung gehen. Es wird mehr Biodiversität geschaffen und damit eine Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren. Je mehr Arten, desto gesünder und vor allem stabiler gegen Einflüsse ist das Ökosystem.
Entsprechende Lobbyisten aber, offensichtlich mit dem Draht bis hoch in die EU-Spitze haben sehr leise am Volk vorbei, vielleicht sogar im Eigeninteresse den in der Strategie einst geforderten Punkt 10% “besonders geschützter” Areale, also ohne Holzwirtschaft, ohne Jagd, ohne Fischerei und Bergbau, kurzer Hand gestrichen und ihn durch Bäume pflanzen ersetzt, wohl hoffend, dass es nicht auffällt. (Siehe auch Beitrag naturdigital.online/naturschutzgebiete und EU-Anlagen). “Besonders geschützt”, also die 10% der Flächen, die der Natur zur Genesung zur Verfügung gestellt werden sollten, verschwanden ohne größere Diskussion, still und fast heimlich. Zu groß wäre da für einige wohl der Verzicht gewesen.
Auch hätten diese ausgewiesenen Areale sicherlich wissenschaftlich bewiesen, dass es eben auch ohne Jagd, ohne Regulierung funktioniert, dass ein natürliches Ökosystem mit allen Prädatoren besser funktioniert, als die vom Menschen geführte Bestandsregulierung der Wildtiere.
Wir hätten weitaus weniger Wildtiere und auch gesündere Wildtiere (siehe auch naturdigital.online/der-wolf-ist-unsere-chance ) und damit eine gesündere Lebensbasis für uns Menschen. Kurzum, nur ein Umdenken, immer mit dem Ziel hin zu mehr Artenvielfalt, könnte uns vor einem ökologischen Worstcase bewahren, viel Zeit bleibt dazu nicht.
Wir müssen nicht meinen, dass das nur teuer und zeitintensiv von Menschenhand aufgebaut werden muss, nein nur einfach komplett raushalten müssen wir uns aus vielen Flächen, nicht “korrigierend eingreifen”, hier und da die Natur eventuell ein wenig anschubsen….
Biodiversität, vollständige gesunde Natur, funktioniert nur mit den Prädatoren, mit dem Wolf und ohne den großen Anteil an der Hobbyjagd.
Den Beitrag könnt ihr gerne auf der Homepage von Guido Meyer nochmal nachlesen und anhören.