VS
Wirtschaftswald
Naturwald
In Deutschland ist der Wirtschaftswald die nahezu ausschließliche Form des Waldes. Laut einer Studie des Bundesamtes für Naturschutz werden 97 % des deutschen Waldes mehr oder weniger intensiv wirtschaftlich genutzt, nur 2,8 % sind frei von Nutzung.
Dies steht einem 2007 gesetztem Ziel der Bundesregierung entgegen, bis 2020 5 % des Waldes nutzungsfrei zu machen.
Mit dem Fünf-Prozent-Ziel hat sich die Bundesregierung bereits im Jahr 2007 ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Im Rahmen der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt sollen fünf Prozent der Wälder in Deutschland bis zum Jahr 2020 aus der forstlichen Nutzung genommen werden. Doch im April 2019 – weniger als ein Jahr vor Ende dieser Frist – lag der Anteil von Naturwäldern in Deutschland erst bei 2,8 Prozent. Das ist das ernüchternde Ergebnis einer Studie des Bundesamtes für Naturschutz.
Gerade diese Naturwälder haben jedoch einen hohen Nutzen für den Naturschutz. Hier dürfen die Bäume ungestört alt werden und auch in abgestorbenem Zustand im Wald bleiben. So entstehen jede Menge verschiedene Lebensräume von denen seltene und von alten Wäldern abhängige Arten wie Mittelspecht, Grauschnäpper oder Bechsteinfledermaus profitieren.
Ungefähr 97 Prozent des deutschen Waldes werden mehr oder weniger intensiv bewirtschaftet. Zusätzlich zu den Naturwäldern, die dauerhaft geschützt sind, ist es daher ebenso notwendig, den gesamten Wirtschaftswald mittel- und langfristig so naturnah wie möglich umzubauen.
Schaffung horizontaler und vertikaler Strukturvielfalt
Die vertikale und horizontale Strukturvielfalt bezieht sich auf die Vegetationsschichten (Kraut-, Strauch-, Baumschichten) und die Mischungsformen von Baumarten und Altersklassen (z.B. Mischung einzelbaum-, gruppen- oder bestandesweise) und beschreibt die heterogene Ausformung von Waldbeständen und Waldlandschaften. Die horizontale Struktur beschreibt, wie die Bäume im Raum verteilt sind (dicht bis lückig) und wie unterschiedlich die räumliche Durchmesserverteilung von Baum zu Baum ist.
Besteht der Wald nur aus einer Baumart, ist er in der Regel nur wenig horizontal strukturiert. Wachsen dort drei, vier oder sogar mehr verschiedene Baumarten, so ist der Wald horizontal stärker strukturiert. Mit der vertikalen Struktur ist meist die „Schichtung” eines Waldbestandes gemeint. Unter Schichten versteht man die Krautschicht am Waldboden oder die Baumkronen des darüber liegenden Waldbestandes bzw. der Bäume. Je mehr Schichten ein Wald hat, desto reicher ist seine vertikale Struktur. Die Strukturvielfalt ist abhängig von der Seehöhe, der
Waldgesellschaft und der Bewirtschaftungsform.
Was sind Sonderstrukturen?
Neben der horizontalen und vertikalen Struktur existieren noch die sogenannten “Sonderstrukturen”. Unter diesem Begriff versteht man bestimmte Strukturen an Bäumen, wie zum Beispiel ausgehöhlte Baumstämme, Spechtlöcher, abgebrochene Kronen, Wurzelteller von Bäumen, die im Sturm umgefallen sind, oder auch Totholz. Viele dieser Sonderstrukturen können Tierarten als Unterschlupf oder Lebensraum dienen. Manche Tiere sind sogar explizit auf sie angewiesen.
Einige Sonderstrukturen stellen ein gewisses Risiko im Sinne der Wegesicherungspflicht dar und müssen deshalb entlang öffentlicher Straßen und Wege beseitigt werden. Abseits von Wegen und Straßen aber sollten sie belassen werden. Diese häufig als “Unordnung” empfundenen Strukturen sind ein wichtiger Bestandteil natürlicher Wälder und sollten in einem gewissen Maß auch in jedem bewirtschafteten Wald ihren Platz haben.
Totholz bietet Spechten und zahlreichen anderen Tieren, Pflanzen und Pilzen einen wertvollen Lebensraum.
Strukturvielfalt schafft Stabilität und hilft vielen Tieren
Die Schaffung von größerem Strukturreichtum bringt nicht nur der Natur, sondern auch Ihnen als Waldeigentümer erhebliche Vorteile. Sie schaffen auf diese Art und Weise nicht nur Lebensräume und Nahrungsquellen für viele Tierarten, sondern fördern so auch ökologische Gleichgewichte. Die Stabilität Ihres Waldes steigt, er ist damit weniger anfällig gegenüber Schäden, zum Beispiel durch Stürme, lang anhaltende Trockenheit oder Schädlingsbefall. Auch die Kosten zur Gefahrenabwehr durch baumschädigende Insekten sinken in einem derartigen Waldbestand häufig drastisch. Dadurch besteht ein geringeres wirtschaftliches Risiko für Sie als Waldeigentümer.
Bei der Waldpflege und auch bei Pflanzung und Naturverjüngung gibt es Möglichkeiten, strukturelle Vielfalt zu fördern. Fragen Sie doch Ihren Forstexperten nach Maßnahmen, mit denen Sie die Strukturvielfalt in Ihrem Wald fördern können.
Totholz hat eine enorme Bedeutung für die Biodiversität im Wald. Neben zahlreichen Pflanzen und holzbewohnenden Insekten und Pilzen nutzen auch verschiedene Säugetiere, wie Fledermäuse, das Totholz als Lebensraum. Entscheidend dabei ist auch die Qualität des Totholzes, diese definiert sich über die Dimension, den Zersetzungsgrad, die Baumart und den Totholztyp.
Dickstämmiges Totholz ist dabei von besonderer ökologischer Bedeutung und ist regional sehr unterschiedlich verteilt. Der Verbleib von Biotopbäumen, Alt- und Totholz unterschiedlichster Zerfallsphasen verbessert auch die Wasserspeicherkapazität und Nährstoffverfügbarkeit im Bestand. Das Vorkommen von Totholz
hängt auch von vielen dynamischen Prozessen ab und variiert je nach Seehöhe, Waldgesellschaft, Bewirtschaftungsform und Entwicklungsphase. Das Belassen von stehendem und liegendem Totholz in unterschiedlichsten Dimensionen und Zersetzungsgraden ist daher sehr wichtig.
Was kann man tun?
Natürlich entstandenes Totholz, wie Bäume in der Zerfallsphase, Blitzschlagbäume, einzelne durch Wind entwurzelte, gebrochene Bäume, im Wald belassen.
Ökologisch besonders interessant sind Bäume ab einer Dimension von 20 cm BHD (Brusthöhendurchmesser) und Laubbaum-
arten.
Liegendes Totholz soll unverändert an Ort und Stelle im Bestand belassen werden.
Bei der Durchforstung verbleiben Totholzstämme, Reisig, Baumrinde, Baumstümpfe, Pionierbaumarten und Bäume mit geringem ökologischen Wert verstärkt im Bestand.
Eine weitere Möglichkeit ist die Förderung von
Altholzinseln, Biodiversitätsinseln & Biotopbäumen
Altholzinseln sind kleinräumige Waldbestände, die für mindestens 20 Jahre für eine freiwillige Außernutzungsstellung zur Verfügung stehen. Diese sollen gewährleisten, dass ausgewählte
Waldbiotoptypen und Sonderwaldbiotop im bewirtschafteten Wald besonders beachtet werden.
Sogenannte Biodiversitätsinseln, die freiwillig
dauerhaft außer Nutzung genommen werden,
sollen gewährleisten, dass gefährdeten und an-
spruchsvollen Tier- und Pflanzenarten ausrei-
chend Trittsteinbiotope und Lebensraumstruktu-
ren für ihren Fortbestand zur Verfügung stehen.
Das gilt nicht nur für Vogelfamilien wie Spechte,
Fliegenschnäpper und Raufußhühner, sondern
auch für Insekten, Säugetiere, Pilze und Flechten.
Die Erhaltung von Biotopbäumen ist nicht nur von großer Bedeutung für den Vogelschutz im
Wald. Biotopbäume bieten auch anderen Tieren und Pflanzen Lebensraum. Biotopbäume kön-
nen entweder einer für den Waldbestand typischen Baumart angehören oder heben sich vom
restlichen Bestand ab, weil sie zu den regional seltenen Baumarten gehören. Biotopbäume besitzen folgende Eigenschaften: Lebende Bäume, kuriose Wuchsformen, Spechthöhlen oder andere Höhlen bzw. große Löcher, Mikrohabitate, geringer Ertragswert (krumme, schiefe, anbrüchige Bäume), regional seltene Arten wie Eiche, Eibe, Mehlbeere, Buche, Berg-Ahorn, Weide, Schwarz- und Silber-Pappel sowie Eberesche. Ausgewählte Biotopbäume der natürlichen Entwicklung überlassen und sie eventuell markie-
ren. Biotopbäume können als Einzelbäume regelmäßig verteilt sein, besser ist es jedoch, diese
in Gruppen auszuweisen, um das Gefahrenpotenzial zu reduzieren.
Unter Kleinstrukturen versteht man unterschiedlichste Klein- bis Kleinstlebensräume im Wald und der umgebenden Landschaft. Sie erhöhen die strukturelle Vielfalt und bieten zahlreichen Organismen Lebensraum.
Diese Strukturelemente können sowohl innerhalb von Beständen, direkt auf Bäumen, aber auch
außerhalb auf Wiesen, Wegen, Waldrändern und Ufern vorhanden sein und leisten nicht nur einzeln, sondern auch in ihrer Gesamtheit einen wesentlichen Beitrag zur Artenvielfalt. Insbesondere
Baummikrohabitate wie Baumhöhlen, Wurzelteller, Rindenverletzungen, Pilzfruchtkörper, Wuch-
erungen sowie auch Trocken- und Feuchtbiotope (Tümpel, Teiche), aber auch Ast- und Holzhaufen,
Blockhalden, Erdhaufen, Steinformationen, Steinwälle und Böschungen gehören dazu
Als Altholzinsel eignen sich zum Beispiel Lärchen-Zirbenwälder, Spirken-Rotkiefernwälder, Moorrandwälder, Schluchtwälderfluss- und bachbegleitende Auwaldtypen, Flaumeichenwälder oder eibenreiche Bestände.
Biodiversitätsinseln werden freiwillig dauerhaft außer Nutzung genommen und sollen gewährleisten, dass gefährdeten und anspruchsvollen Tier- und Pflanzenarten ausreichend Trittsteinbiotope und Lebensraumstrukturen für ihren Fortbestand zur Verfügung stehen.
Waldrand Aktive Gestaltung und Schutz von Waldrändern sind ein wesentlicher Bestandteil einer naturna-
hen Waldbewirtschaftung. Ökologisch wertvolle Waldinnen- aber auch Waldaußenränder bieten einer Vielzahl an Tier- und Pflanzenarten einen geeigneten Lebensraum und sollen auf jeden Fall erhalten werden. Aber egal, ob innen oder außen: Ein intakter Waldrand ist immer stufenförmig aufgebaut und bildet einen fließenden Übergang zwischen dem Boden und den Baumkronen.
Waldinnenränder haben einen Mindestplatzbedarf von 5 – 10 m Breite. Sie entstehen entlang von Waldwegen, Forststraßen im Wald, entlang von Gewässern, Mooren, Waldwiesen etc. Waldränder sollten immer buchtig bzw. wellenförmig verlaufen. Typische Kleinstrukturen wie Totholz, Ameisenhaufen, Ast- und Reisighaufen oder Nassgallen sind besonders wertvolle Bereicherungen.
Ast- und Holzhaufen können überall dort angelegt werden, wo im Zuge von Waldarbeiten Astmaterial und Holzstücke anfallen. Wichtig ist, innerhalb dieser kleinräumigen Biotope Strukturvielfalt zu schaffen. Zusätzlich können Wurzelteller und -stöcke (teilweise) in den Boden eingegraben oder Blattmaterial, Streu,
Schilf, dornige Ranken etc. eingearbeitet werden. Sowohl geschlichtet, aber auch chaotisch angeordnet, ergibt dies perfekte Kleinstrukturen. Ideal sind sonnige, ungestörte und windgeschützte Plätze. Steht der Amphibienschutz im Vordergrund, muss auch auf Gewässernähe und Halbschatten geachtet werden.
Steinhaufen und Steinwälle bringen wichtige Strukturvielfalt in den Lebensraum Wald und an den Waldrand. Sie bieten gleichzeitig heiße und kalte, trockene und feuchte, schattige und besonnte Plätze auf engstem Raum. In Kombination mit anderen Kleinstrukturen wie Asthaufen, Quellen etc. kann eine Vernetzung unterschiedlichster Habitate erreicht werden. Eine Neuerrichtung erfolgt am besten während der Winterstarre der Reptilien (November bis März) an sonnigen, windgeschützten Plätzen, an denen
auch natürlicherweise Steine vorkommen. Reparaturarbeiten dürfen jedoch nicht zu dieser Zeit erfolgen, weil eventuell überwinternde Tiere zu Schaden kommen
Was ist denn nun besser?
Ein Naturwald oder ein Wirtschaftswald?
Ganz klar, eine gute Zwischenlösung:
Dauerhaft nachhaltiger und naturnah bewirtschafteter Wald. Denn ein Wald, der der Natur überlassen wird, kann zwar bis zu einem gewissen Alter oftmals mehr Biomasse und damit auch mehr Kohlenstoff gebunden haben. Aber ab einem gewissen Alter wird die Kohlenstoffaufnahme weniger und nähert sich dann einem konstanten Wert an, da Wachsen und Vergehen ins Gleichgewicht gelangen. Stirbt der Baum ab und verrottet vor sich hin, gibt er sogar wieder CO2 an die Atmosphäre ab.
Ein nachhaltig bewirtschafteter Wald dagegen hat zwar womöglich weniger absolute Biomasse und damit mengenmäßig weniger gebundenen Kohlenstoff, dafür entzieht er der Luft aber auch im hohen Alter jedes Jahr neuen Kohlenstoff, da aus ihm immer wieder Bäume entnommen werden, um sie zu nutzen. Der im Holz gebundene Kohlenstoff bleibt etwa in Möbeln oder Gebäuden gebunden und sorgt für Substitutionseffekte. Gleichzeitig wachsen im Wald wieder neue Bäume nach und binden neuen Kohlenstoff. Auf längere Zeit gesehen hat dies also Vorteile.
Und auch das dürfen wir nicht vergessen: Durch den Klimawandel verändern sich auch die Rahmenbedingungen für unsere Wälder. Hitze. Trockenheit. Wetterextreme schaden dem Wald. Nicht alle Baumarten können in diesen neuen und sich weiter ändernden Bedingungen gut wachsen. Sie sind risikoanfällig. Einige sprechen vom Waldsterben 2.0. Wir müssen unsere Wälder klimafit für die Zukunft machen. Das geht nur, wenn wir den Wald „umbauen“. Also besser angepasste Baumarten anstelle der anfälligeren Arten pflanzen. Vielleicht müssen wir aber auch ganz andere Baumarten pflanzen als wir es heute prognostizieren.
Und noch eins: Ein naturnah bewirtschafteter Wald mit auf der Fläche integrierten Habitatstrukturen hat auch keine Nachteile bei Artenvielfalt und Biodiversität.