Das Reh ist nicht die Frau vom Hirsch
"aus ökologischer Sicht verursachen Huftiere keine Schäden, sondern Störungen, die sehr häufig Ausgangspunkt für besonderen Artenreichtum und Biologische Vielfalt sind."
Die Rothirsche sind die größte Art innerhalb der Gattung der Edelhirsche (Cervus).
​
Sie sind Stirnwaffenträger, in der Rangstufe der Echten Hirsche und gehören zur Gattung der Edelhirsche.
​
Ihr Bestand wird in Deutschland auf über 200.000 Tiere geschätzt. Dass hört sich beim Lesen nicht unbedingt nach einer Art an, welche man auf die Rote Liste setzten müsste, oder?
​
Nimmt man nun aber mal 82 Millionen Menschen in Deutschland und vergleicht den Bestand von Rotwild und Menschen auf einer Größe von 1.000 Hektar leben bei uns durchschnittlich 2.300 Menschen, aber nur sechs Stück Rotwild auf dieser Fläche.
Um einen noch besseren Vergleich ziehen zu können, bedienen wir uns mal dem Rehwild oder wie es unter den Jägeren heißt:
"Aus jagdlicher Sicht handelt es sich beim Rehwild um eine attraktive jagdbare Wildart."
​
Ich hoffe nur, dass sagt irgendwann mal in ferner Zukunft keiner von uns Menschen. (Nur so nebenbei.)
​
Da es auch beim Rehwild keine genauen Bestandszahlen der Rehpopulation in Deutschland gibt, bedienen wir uns einfach mal der Jagdstrecke für das Jagdjahr 2022/2023 um eine Populationsentwicklung im Vergleich zum Rotwild zu bekommen.
Im Jagdjahr 2022/2023 wurden 1.305.758 Rehe erlegt und dass im Rahmen der "Bestandsregulierung". Also einer Maßnahme, welche ein unkontrolliertes Ausbreiten und aus forstwirtschaftlicher Sicht einen damit verbundenen steigenden Schaden am Holz und somit eine Erlösschmälerung, verhindern soll.
​
Zum Vergleich im Jagdtreckenjahr 2019/2020 waren es noch 1.226.250 erlegtes Rehwild. D.h. trotz der Bestandsregulierung durch den Jäger ist der Bestand des Rehwilds, welches ja auch einen so schlimmen Verbiss an Jungbäumen anrichtet, um 79.508 Tieren gestiegen. Dies wird im Jägermagazin dann so begründet: "Das verdeutlicht, dass wir Jäger pfleglich mit dem uns anvertrauten Wild umzugehen verstehen."
​
Doch nochmal zurück zum eigentlichen Thema, dem bösen Rotwild, was ja noch größere Schäden und Verbiss verursacht. Dazu heißt es:
"Die bundesweite Strecke bewegt sich in den letzten acht Jahren auf konstantem Niveau. Inwieweit die offizielle Bevorzugung des Waldes gegenüber dem Wild daran etwas ändern wird, bleibt abzuwarten. Zum Glück gibt’s aber noch genügend Waldbesitzer, die Freude am Wild haben."
​
Ich habe mich lange nicht mit dem Thema Jagd beschäftigt, doch um so mehr ich mich in das Thema einlese, um so mehr denke ich was nehmen wir Menschen uns raus zu bestimmen, welches Tier in welcher Bestandsgröße, wo leben darf. Wenn ich mir überlege, dass in einer Gemeinde der Bürgermeister kommt und zu mir sagen würde: "Sie, also unser Bestand ist jetzt an seiner Bestands-
-grenze angekommen und sie müssen sich leider eine andere Gemeinde suchen, in der sie und ihre Familie künftig leben können."
​
Nun kommen wir mal zu dem Bundesland in dem ich lebe. Kurz zur Erinnerung unser Wappen:
​
​
​
In Baden-Württemberg, das sich im großen Landeswappen durch Rothirsch und Geweihstange ziert, muss Rotwild per Gesetz auf 96 % der Landesfläche ausgerottet werden.
Was für Wolf und Biber selbstverständlich ist, muss auch für wanderndes Rotwild gelten.
Dachte ich...
Jedoch zeigen nur die nördlichen Bundesländer, dass eine erfolgreiche Land- und Forstwirtschaft auch mit Hirschen betrieben werden kann. „Freiheit für den Rothirsch“ heißt es deshalb nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, sondern auch in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt, die die Rotwildbezirke in den vergangenen Jahren abgeschafft haben.
Diese Länder stellen sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung, den Rothirsch in die Kulturlandschaft zu integrieren. In Bayern oder Baden-Württemberg sind hingegen viele große Waldgebiete, in denen der Rothirsch unter den heutigen Bedingungen einen geeigneten Lebensraum findet, rotwildleer.
In Bayern oder Baden-Württemberg sind hingegen viele große Waldgebiete, in denen der Rothirsch unter den heutigen Bedingungen einen geeigneten Lebensraum findet, rotwildleer.
Rotwildbezirke existieren seit den 1950iger Jahren. Zu verdanken haben wir sie der Forstwirtschaft: Bei ihrem Streben nach Gewinnmaximierung stört der Rothirsch, denn Rotwild zum Nulltarif gibt es nicht. Noch immer hat fast die Hälfte der deutschen Flächenländer Rotwildbezirke ausgewiesen – vor allem im Süden Deutschlands. „Reviere außerhalb der Rotwildbezirke sind rotwildfrei zu machen und zu halten,“ heißt es in der Ausführungsverordnung des Bayerischen Jagdgesetzes. Neben Bayern mit Rotwildbezirken auf 14 % seiner Landesfläche darf in Baden-Württemberg, das sich im Großen Landeswappen mit Rothirsch und Hirschstange ziert, der Rothirsch gar nur auf 4 % der Landesfläche existieren. Dabei scheint es anscheinend auch kein Rolle zu spielen, ob das Land konservativ Schwarz oder umweltbewegt Grün regiert wird. Selbst im waldarmen Niedersachsen kommt Rotwild auf 20 Prozent der Fläche vor. In Schleswig-Holstein wird Rotwild außerhalb der legalen Verbreitungsgebiete wenigstens nicht sofort tot geschossen. Es sind dort zunächst Vergrämungsmaßnahmen anzuwenden, um die eingewechselten Tiere zu vertreiben.
Der Lebensraum des Rothirsch ist jetzt bereits auf ca. 25 % der Gesamtfläche zusammengeschrumpft. So bedeutet jeder Mensch in seinem Lebensraum eine potentielle Gefahr und damit erhöhte Aufmerksamkeit und manchmal auch Flucht.
​
Dadurch steigen die Wildschäden im Wald und die Jagd wird noch intensiver - ein Teufelskreis, bei dem der Rothirsch zum Sündenbock für menschliches Fehlverhalten wird.
​
Wie kaum eine andere Wildtierart leidet das Rotwild in Deutschland auch an der Zerschneidung der Landschaften durch Straßen. Eingezäunte Autobahnen, Kanäle mit steilen, betonierten Ufern, stellen kaum überwindbare Hindernisse für Wildtiere dar. Damit kann Rotwild in Deutschland nicht mehr wandern.
​
In vielen Teilen Deutschlands fehlt der wichtige genetische Austausch, längst schon kommt es durch Inzucht zu schweren Degenerationen.
​
Wildtierbrücken wären hier die Lösung – für den genetischen Austausch, aber auch für unsere Wälder. Erst 87 solcher Wildbrücken haben wir, einige sind im Bau. Die Niederlande, etwa nur 7,6% Fläche zur Bundesrepublik, haben 70 Wildtierbrücken und mehr als 2.000 andere, ähnliche Bauwerke wie Dachs-Tunnel und andere baulich errichtete Verbindungen!
Die Wildbrücken am Trans-Canada Highway im Banff-Nationalpark lieferten Inspiration und wissenschaftliche Daten, um tödliche Wildunfälle auf der ganzen Welt zu verhindern.
„Wenn Populationen einander nicht mehr finden können, kann es lokal zum Aussterben von Arten kommen. Wenn sie keine genetische Vielfalt mehr haben, sterben sie aus – vor allem Arten mit geringer Mobilität."
Um Rothirsche konfliktarm in unserer Kulturlandschaft zu integrieren, müssen wir Räume anbieten in denen sie möglichst ungestört von uns Menschen die Wochen der Nahrungsknappheit überstehen können." Prof. Dr. Klaus Hackländer (Vorstand Deutsche Wildtierstifung)
​
Obwohl der Rothirsch eigentlich ein Tier der halb offenen Landschaften ist, wurde er in große Waldgebiete zurückgedrängt. In neun Bundesländern beschränken darüber hinaus behördlich festgesetzte Rotwildbezirke seinen Lebensraum. Arttypische
Wanderungen und eine Ausbreitung dieser Wildart sollen durch den Totalabschuss außerhalb von Rotwildbezirken verhindert werden.
​
Was nun, wenn ein Jäger mal ein Auge zudrückt und einem Rudel Rotwild die Chance gibt sich aus einem Rotwildbezirk herauszuwagen...
​
"Jägern, die der staatlich verordneten Ausrottung des Rotwildes außerhalb von Rotwildbezirken nicht nachkommen, drohen Bußgelder oder Ersatzvornahmen."
​
Wäre dass dann auch geklärt, oder. Nicht ganz, denn die Deutsche Wildtierstiftung hatte den Hamburger Rechtsanwalt Dr. Florian Asche mit einer Recherche beauftragt, ob der Ausrottungsabschuss in Rotwildfreigebieten tatsächlich zulässig ist.
​
Herausgekommen ist:
​
-
Der Ausrottungsabschuss von Rotwild in sogenannten Freigebieten verstößt gegen die Hegepflicht gemäß § 1 Abs. 1 BJG.
-
Die Hegepflicht wird ausgestaltet durch das Staatsziel Umweltschutz im Sinne von Artikel 20 a GG. Danach ist es Aufgabe des Staates, die natürlichen Lebensgrundlagen, mithin auch die Wildbestände zu schützen.
-
Sofern der Staat die Interessen der Land- und Forstwirtschaft an möglichst geringen Wildschäden dadurch schützen möchte, dass er Rotwild in bestimmten Gebieten ausrotten lässt, ist eine solche Maßnahme nur dann möglich, wenn zuvor alle alternativen Maßnahmen des Wildtiermanagements geprüft wurden.​
Dem Ganzen vorausgegangen ist, dass ein Jagdpächter in Rheinland-Pfalz sich gegen diese Ausrottungspolitik mit einer Klage gewandt hatte und dass das Oberverwaltungsgericht Koblenz in seiner Entscheidung vom 30. Oktober 2002 diese abgelehnt hatte und das Vorhandensein von Rotwildfreigebieten jedoch noch gerechtfertigt wurde.
​
Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hat keine alternativen Möglichkeiten des Wildtiermanagements geprüft, sondern den Totalabschuß des Rotwildes ohne weiteres für rechtsmäßig befunden. Das Staatsziel Umweltschutz hat das Oberverwaltungsgericht überhaupt nicht gewürdigt. Vor diesem Hintergrund kommt Dr. Asche zu dem Ergebnis, daß die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zu Unrecht ergangen ist. Leider kam dieser Beitrag für das Revisionsverfahren zum Bundesverwaltungsgericht zu spät. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Zulassung der Revision, in erster Linie aus prozessualen Gründen, abgelehnt.
​
Wie soll denn nun eine Artenvielfalt entstehen frage ich mich da?
​
Der Wolf welcher für die diese genauso wichtig ist wie zum Beispiel das Rotwild schafft es nach Angaben des DBBW im Monitoringjahr 2023/2024 auf eine Anzahl von 1.339 Tieren und das Rotwild, welches zumindest einen Bestand von über 200.000 Individuen aufweißt, darf nicht wandern, da es sonst erschossen wird und dass gesetzlich vorgeschrieben.
​
Ich bin kein Profi, ich bin kein Wissenschaftler oder Biologe und trotzdem stellt sich mir die Frage?
​
Ist vielleicht garkeine Artenvielfalt sondern eher eine Artenkontrolle, ja wie man so schön sagt, eine Bestandsregulierung gewünscht?
​
Alles schön ordentlich nachvollziehbar, zählbar in wie Guido so schön sagt, unser Ziel, dass Flora & Fauna einfach nur Forstwirtschaftlichen Controllern in ihre Excel-Tabellen passt, um noch das letzte bisschen an Geld herauszuquetschen.
Da ich ein optimistischer Mensch bin, möchte ich jetzt nicht sagen, okay Artenvielfalt ist eh nicht gewünscht, dann brauchen wir auch noch weiter über Rotwild und dessen wichtige Rolle darin sprechen, sondern ich sage, schauen wir uns doch nochmal das Schalenwild und die Artenvielfalt ein wenig genauer an.
​
Aus ökologischere Sicht verursachen Huftiere keine Schäden, sondern Störungen. Beweidung und Tritt durch Rothirsche und andere Huftiere sind Störungen, die sehr häufig Ausgangspunkt für besonderen Artenreichtum und Biologische Vielfalt sind. Ein wichtiger Bestandteil ökosystemarer Prozesse ist außerdem die Zersetzung und der Abbau von tierischen Abfallprodukten – also von Aas und Kot. Durch die sogenannten Zoochorie übernehmen Huftiere die Verbreitung von Samen in Fell (Epizoochorie) und mit dem Kot (Endozoochorie).
Es gibt viele wissenschaftliche Veröffentlichungen aus der ganzen Welt, die sich mit den Auswirkungen des Verbeißens und des Schälens von Bäumen durch Wiederkäuer wie dem Rothirsch beschäftigen. Ihr Fokus liegt fast immer auf dem forstwirtschaftlichen Schaden, der durch Verzögerung und Entmischung der Verjüngung und Qualitätseinbußen am stehenden Holz entsteht. In der genutzten Kulturlandschaft hat diese Sichtweise unbestritten ihre Berechtigung. Doch gleichzeitig haben Waldbesitzer und Förster auch eine Verantwortung für die Schutz- und Erholungsfunktion ihrer Wälder. Dazu gehört, ein gewisses Maß von Wildeinfluss auf die Waldvegetation als einen natürlichen Prozess zu akzeptieren.
Schaden und Nutzen:
Glücklicherweise besteht der Lebensraum von Rotwild und anderen großen Huftieren in Deutschland nicht ausschließlich aus intensiv genutzter Kulturlandschaft. Ein mittlerweile auf rund 2,5 % der Landesfläche gewachsener Anteil Deutschlands entfällt auf Gebiete, die ausschließlich der Natur und ihren natürlichen Prozessen vorbehalten sind: die Nationalparke, einige große Naturschutzgebiete, die Flächen des Nationalen Naturerbes und die Kernzonen der Biosphärenreservate. Doch auf fast allen diesen Flächen werden Rotwild und andere Huftiere mit jagdlichen Methoden in ihrer Dichte begrenzt. Die Jagd wird meistens damit begründet, dass ohne sie die Waldentwicklung nicht im angestrebten Tempo erfolgt und ein hoher Wilddruck aus den Großschutzgebieten auf die umliegende Kulturlandschaft Konflikte herbeiführt. Es scheint, dass die großen Pflanzenfresser nur geduldet und nicht als Bestandteil des zu schützenden Ökosystems und der ökologischen Prozesse wahrgenommen werden.
Aber ist es gerechtfertigt, dass Eichelhäher und Eichhörnchen als natürliche Waldbauern gefeiert werden, während der Rothirsch, der deutlich mehr Pflanzenarten verbreitet, in die Ecke des Schädlings gedrückt wird?
​
​
​
​
Pflanzenfresser nehmen auf unterschiedliche Art und Weise Einfluss auf Pflanzengemeinschaften. Sie verzögern das Höhenwachstum und verschieben das Konkurrenzgefüge durch Selektion und Schwächung der Pflanzenvitalität. Doch Wälder bestehen nicht nur aus Bäumen. Nessing & Zwerbe (2002) stellten fest, dass durch den Verbiss des Gehölzbestandes die Lichtverfügbarkeit am Boden stieg und die Artenanzahl der Krautvegetation im Wald zunahm. Gill & Beardall (2001) haben 13 Publikationen hinsichtlich des Einflusses von Hirschen auf die Waldvegetation der gemäßigten Breiten überprüft. Im Ergebnis führt das Äsen von Büschen, Baumkeimlingen und Kletterpflanzen zu einem erhöhten Lichtanteil am Boden, der wiederum anderen Pflanzenarten die Möglichkeit zum Wachsen bietet. Der Unterwuchs wird stärker während die Diversität an Baumkeimlingen abnimmt. Nishizawa et al. (2016) beobachteten in ihrem Untersuchungsgebiet Hokkaido in Japan das Vorkommen von 43 Krautarten unter dem Einfluss von Sikahirschen (Cervus nippon yesonesis) – aber nur 35 Arten, wenn das Sikawild ausgeschlossen wurde.
Beweidung: Baumaßnahme des Artenreichtums
Einfluss von Beweidung auf die Flora
Einfluss von Beweidung auf die Fauna:
Durch Äsen des Unterwuchses beeinflusst Rotwild auch den Lebensraum anderer Wirbeltiere und wirbelloser Arten.
So zeigten Feber et al. (2001) die positiven Auswirkungen von Beweidung auf Schmetterlingsarten in England und Schottland. Melis et al. (2006) führten Untersuchungen in Norwegen zu der Zusammensetzung der Laufkäfergesellschaften (Carabidae) im Zusammenhang mit dem Äsungsdruck auf die Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) im Winter durch. Ein hoher Beweidungsdruck wirkte sich positiv auf die Häufigkeiten innerhalb der Käfergesellschaft aus. Auch Stewart (2001) untersuchte in Waldhabitaten des Tieflandes die Auswirkungen auf die Invertebratengesellschaft. Besonders thermophile Insekten und solche, die Blüten als Lebensgrundlage benötigen, profitieren vom Rotwild.
​
Heterogen gestaltete Habitate sind auch für viele Vogelarten besonders attraktiv. Fuller (2001) stellte fest, dass gerade Vogelarten des Offen- oder Halboffenlandes vom Rotwild profitieren, da ihnen die verlangsamte Gehölzsukzession gute Lebensbedingungen bietet. Im bereits erwähnten Brachter Wald in Nordrhein-Westfalen profitieren viele Vogel- und Insektenarten von den mosaikartigen und offenen Strukturen. Außerdem wurde hier eine hohe und weiterhin steigende Zahl an Pilzen festgestellt. Pflanzenarten der Heiden und Sandmagerrasen und eine große Zahl an Großfalterarten kommen hinzu (Reichmann & Kolshorn 2016).
Mit Schalen und Hufen - Vielfalt durch Störung:
Schalenwild verursacht in seinem Lebensraum vielfältige Störungen, die zu Heterogenität und damit zu Biologischer Vielfalt beitragen. Bönsel (1999) beschreibt für ein Hochmoor in Mecklenburg-Vorpommern, wie Rot- und Schwarzwild durch Beäsung und Wühlaktivitäten lokal das Überwuchern der Torfmoorhabitate durch Gräser verhindern. Die dadurch entstanden Lücken und Schlenken sind lebenswichtige Bruthabitate für die Hochmoor-Mosaikjungfer (Aeshna subarctica).
Auch durch Suhlen entstandene Kleingewässer dienen Amphibien wie der gefährdeten Gelbbauchunke (Bombina variegata) zur Jungenaufzucht (Reck et al. 2009). Auf offenen Bodenstellen, die durch Tritt und Scharren entstehen, verändert sich das Mikroklima, wodurch besonders wärme liebende Insekten und Spinnen und viele Pflanzenarten gefördert werden.
An solchen Stellen haben besonders annuelle, kleinwüchsige oder rosettenbildende Pflanzen eine erhöhte Keimungsrate im Vergleich zu nicht-gestörten Bodenbereichen (Pellerin et al. 2006). Reck et al. (2009) führen eine ganze Reihe verschiedener Trittflurenvertreter in der Vegetation auf. Pellerin et al. (2006) fanden ein doppelt so hohes Vorkommen von Rundblättrigem Sonnentau entlang von Trittschäden und Wildwechseln im Vergleich zu „schadlosen“ Bodenstellen. Im „Verzeichnis und Rote Liste der Moos- und Flechtengesellschaften Sachsens“ von Müller & Otte (2007) wird die seltene „Moosgesellschaft des feuchten Sandes” aufgeführt, die vor allem entlang von Wildwechseln und -suhlen in Mooren sowie entlang sandiger Wege vorkommen.
​
​
​
Reck et al. (2009) stellten fest, dass die meisten der Arten, die entlang von Wechseln oder an Trittstellen des Schalenwildes gefunden wurden, nicht der Samenbank des Bodens entstammen, sondern durch Ausbreitungsprozesse an den Ort der Keimung gelangten. Bis zu 60 % der Diasporen wurden durch Tiere transportiert – durch die sogenannte Zoochorie.
Dabei haften die Diasporen entweder im Fell oder zwischen den Hufen der Tiere und werden mitgetragen (Epizoochorie) oder sie werden mit der Nahrung aufgenommen und mit dem Kot wieder ausgeschieden (Endozoochorie). Bei beiden Verbreitungswegen nehmen vor allem weit ziehende Tierarten eine Schlüsselrolle ein (Nathan et al. 2008). Allerdings ist bei der Endozoochorie die Ausbreitungsdistanz durch die Zeit, die der Samen benötigt um den Verdauungstrakt zu passieren (Retentionszeit), begrenzt.
​
Dem nicht genug, denn auch Aas und Kot tragen im wesentlichen zur Artenvielfalt bei:
​
Ein wichtiger Bestandteil ökosystemarer Prozesse ist die Zersetzung und der Abbau von tierischen Abfallprodukten – also von Aas und Kot (Barton et al. 2013, Gu et al. 2014, Towne 2000). Ein 2008 durchgeführtes Projekt in der Lieberoser Heide (Gu et al. 2010) verdeutlicht das Nahrungsnetz rund um Aas: Neben den erwarteten nekrophagen, also aasfressenden Arten wie Aaskäfer (Silphidae), Speckkäfer (Dermestidae) oder Knochenkäfer (Trogidae) wurden während der Studie am Aas von Hirsch, Wildschwein und Reh auch Vertreter völlig unerwarteter Insektengruppen gefunden. Die Erstnutzer locken dabei die Folgenutzer oft erst an, denn viele dieser Insekten sind für eine Fülle von Vögeln und Säugetieren eine wichtige Nahrungsquelle (Moreno-Opo & Margalida 2013). Knochen sind wiederum ein wertvolles Substrat für das Lebermoos Cephaloziella divaricata und andere Arten wie die Flechte Thelocarpon magnoussonii (Gu & Krawczynski 2012).
​
Zoochorie: Die Spediteure der Artenvielfalt:
Fazit:
​Die Fülle zeigt deutlich, Rotwild und andere Huftiere erfüllen in ihrem Lebensraum einen wichtigen ökologischen Zweck und sind der Schlüssel für eine ganze Reihe ökologischer Prozesse. Die Aktualität vieler Studien zeigt hingegen, dass Schalenwild erst seit kurzer Zeit in den Fokus der Ökosystemforschung gerückt ist. Dabei ist die Frage, welcher Nutzen am größten sei, eher zu vernachlässigen. Denn Beweidung und Tritt, Samenverbreitung und Verwesung fördern völlig unterschiedliche Arten und Artgemeinschaften aus Flora und Fauna und tragen in ihrer Gesamtheit zu einem heterogenen und damit artenreichen Ökosystem bei. Der Umgang mit Schalenwild sollte daher vor allem in den Großschutzgebieten neu bewertet werden. Aber auch in unserer Normallandschaft, in der Beweidung manchmal zum Wildschaden wird, muss die ökologische Funktion von Schalenwild in seinem Lebensraum stärker als bisher anerkannt und geschützt werden. Denn die Schutzfunktion eines Wirtschaftswaldes betrifft nicht nur den Horst des Schwarzstorchs oder die Verjüngung der Eberesche, sondern auch den Lebensraum des lichtliebenden Waldlaubsängers. Ökologische Prozesse wie Zoochorie bedürfen weit wandernder Hirsche, dem die Ausweisung von Rotwildbezirken in vielen Bundesländern entgegenspricht.
"Artenreichtum entlang von Wildwechseln kann sich nur dort einstellen, wo Rotwild und andere wildlebende Huftiere regelmäßig ihre Fährte ziehen."
Familienbande - Frauen unter sich:
Rothirsche leben in geschlechtergetrennten Gruppen, den Rudeln. Zusammen mit ihren Jungtieren bilden die Hirschkühe die sogenannten "Kahlwildrudel". Sie setzen sich in der Regel aus mehreren Mutterfamilien zusammen, die jeweils aus einem Alttier, einem Jährling und einem Kalb bestehen. Verglichen mit einem männlichen Rudel ist die Zusammensetzung eines Mutterrudels verhältnismäßig stabil.
​
Kennzeichnend ist, dass sie einem Leittier folgen, das beim Ziehen die Richtung wählt und dem sich die anderen anschließen. Es handelt sich um eine sog. "passive Führerschaft", d.h. die Mehrzahl der Tiere folgt freiwillig den Handlungen eines Einzel-
-tiers. Abgesehen vom eigenen Kalb ist es für dieses Einzeltier nicht maßgeblich, ob ihm die anderen Mitglieder des Rudels folgen. Die Leittierrolle fällt deshalb dem "Alttier" zu, dass besonders aufmerksam und misstrauisch ist und am schnellsten auf Gefahren reagiert.
​
Seine Warn- und Schreckrufe sind vom Fürsorgetrieb für das Kalb motiviert und richten sich nur an den eigenen Nachwuchs.
Durch Stimmübertragung folgt der Rest des Rudels aber den Handlungen der Leitkuh.
​
Leittierrollen werden entsprechend auch nur von Rothierschmüttern wahrgenommen, die Kälber führen.
​
Daraus ergibt sich aber auch, dass ein Rothirschrudel nicht von einem männlichen Hirsch, dem Stier, angeführt wird, es sei denn es handelt sich um ein männliches Rudel, welches von dem angeführt wird, der in der Rangordnung am höchsten steht.
​
Die Rudel männlicher Tiere sind in ihrer Zusammensetzung instabiler als entsprechend die Rudel weiblicher Tiere. In der Regel wandern mit Beginn der Brunft die älter als 5jährigen und damit fortpflanzungsfähigen männlichen Tiere zu den "Brunftplätzen" ab. Größere Rudel aus männlichen Tieren, in denen auch Brunfthirsche versammelt sind, bilden sich erst im Winterbeginn erneut.
​
Durch Droh- und Imponierduelle sowie kämpferische Auseinandersetzungen wird die soziale Rangordnung innerhalb des Rudels ermittelt. Es gibt eine deutliche, soziale Rangordnung jedoch gibt es keinen Rudelführer, der dem Leittier des Rudels der Weibchen entspricht.
​
Der Geweihabwurf, der bei den älteren Individuen zuerst einsetzt, geht normalerweise mit einem Rangverlust einher.
​
Wenn auch bei jungen Männchen der Geweihverlust vollzogen ist, kommt es erneut zu Rangordnungskämpfen, die diesmal auf den Vorderbeinen ausgetragen werden.
Hier seht ihr Hirschkühe ein paar bei Rangordnungskämpfen
Brunftzeit für den König der Wälder:
Während der Paarungs-, oder Brunftzeit verliert der Hirsch-Stier schnell über 20kg Körpergewicht in der Zeit in vorderster Reihe als sogenannter “Platzhirsch”. Er scharrt eine Grube in den Boden, die sogenannte Brunftgrube, oft nur Pfützen groß und sucht diese Stelle immer wieder auf, um sie mit seinen Körperflüssigkeiten zu markieren und sich darin zu suhlen. Die Grube nimmt dabei den kräftigen Geruch seines Urins und Spermas an. Die Auswirkungen auf die Vegetation werden vor allem im Zusammenhang mit den sogenannten “Verbissschäden” als ein Problem diskutiert. Tatsächlich aber sind Veränderungen wie die Brunftsuhlen ein Geschenk für die Natur.
​
Über die Zunge nimmt der Hirsch Geruchsstoffe auf, die ihm verraten ob die Hirschkuh bereits empfängnisbereit ist oder ob er noch zu warten hat. Das Timing bekommt der erfahrene Hirsch-Stier fast stundengenau hin. Hirsche sind polygame Tiere. Der Stier bildet nicht einen Harem um sich herum, sondern nähert sich einem bereits bestehenden Rudel von Kühen. Er bleibt in ihrer Nähe, folgt ihnen auf Schritt und Tritt. Manchmal kommt es zu einem Annäherungsversuch, der aber von der Kuh oft noch nicht gewollt ist, vielleicht weil sie von seinem genetischen Material noch nicht überzeugt ist. So bedarf es oft der Abwehr vieler Herausforderer bis die ein oder andere Kuh beeindruckt ist.
Noch ein Wort zum “Platz”hirschen im Sinne der Territorialität, wie oft interpretiert. Territorialität ist hier, wenn überhaupt, nur vorübergehend ausgeprägt. Von einer klassischen, stabilen Territorialität kann während keiner Zeit des Jahres gesprochen werden. Selbst das oft angenommene Territorialverhalten des Brunfthirschs ist eine „bewegliche Territorialität“, weil der Hirsch-Stier ständig dem Kahlwild folgt und keine Bindung an eine bestimmte Örtlichkeit zeigt. Er markiert zwar Bäume, Suhlen oder andere bestimmte Geländepunkte, zeigt aber keinerlei Verteidigungsbereitschaft mehr, sobald das “Kahlwild” (Kühe/Kälber) diese Räume verlassen hat. Interessant sind Studien die belegen, dass die Kühe bei ihrer Wahl des Stieres durchaus auch nachts (Hauptpaarungszeit) in der Lage sind, den genetisch vermeintlich Kräftigsten auszumachen. Der Klang des Röhrens, der Soundapparat oder Resonanzkörper verrät der Kuh offensichtlich alles über den Hirsch-Stier.
​
Soundwahl:​
An dieser Stelle nochmal einen ganz lieben Dank an Guido Meyer
https://naturdigital.online/ueber-mich/
​
Danke dass ich Deine Bilder nutzen und mir über Deine Texte so viele
wertvolle Infos für meine Homepage und Arbeit in der Wildnispädagogik holen darf.