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Wildnispädagogik, Spuren- & Fährtenlesen
Wisent - Bison bonasus
Rückkehr der riesigen Urzeitrinder
Steckbrief:
Ordnung der Paarhufer, Familie der Hornträger
Schulterhöhe: 1,50 m – 1,90 m, Körperlänge: 2,40 m – 3,00 m
Bullen bis zu 1.000 kg, Kühe bis zu 650 kg
größtes Landsäugetier Europas, verfügt über eine sehr dicke und elastische Haut, welche stellenweise bis zu 14 mm dick sein kann, zusammen mit amerikanischen Bison letzte Vertreter der Gattung Bison
Herdentiere, ältere Bullen leben einzelgängerisch, junge Bullen bilden zusammen „Junggesellengruppen“
Paarungszeit von August bis Oktober, Tragzeit von 264 Tagen, Jungtiere werden zwischen Mai und Juli geboren
in freier Wildbahn nur ein Jungtier pro Wurf, in Gefangenschaft selten auch Zwillinge
maximal 24 Jahre in freier Wildbahn
ursprünglich in ganz Europa verbreitet, heute nur noch vereinzelt in Osteuropa, sowie Aserbaidschan und Deutschland
strukturreiche Landschaften aus Laub-, Misch- und Nadelwäldern, Lichtungen, Weiden und Wiesen
Pflanzenfresser, im Durchschnitt nimmt ein Wisent 48 kg pflanzliches Material pro Tag zu sich
Ungefähr 7.200 Individuen (Stand 2023)
Laut Roter Liste der Weltnaturschutzunion IUCN wird der Wisent momentan als „gering gefährdet“ geführt.
Merkmale, Eigenschaften und Besonderheiten:
Der Wisent bietet ein imposantes Erscheinungsbild. Mit einer Kopf-Rumpf-Länge von bis zu drei Metern und einer Schulterhöhe zwischen 1,50 Metern und 1,90 Metern sind Wisente heute die größten Landsäugetiere Europas. Zwischen den Geschlechtern gibt es einen markanten Sexualdimorphismus: Die Männchen, auch Bullen genannt, werden deutlich größer und schwerer als die Weibchen. Dabei können große Bullen bis zu 1.000 Kilogramm auf die Waage bringen. Die etwas kleineren Weibchen, die man Kühe nennt, erreichen allerdings immer noch ein Gewicht von bis zu 650 Kilogramm.
Das wohl auffälligste Merkmal des Wisents ist sein Buckel, welcher sich aus Fortsätzen der Brustwirbel bildet und bei den Bullen besonders stark ausgeprägt ist. Im Vergleich zum amerikanischen Bison wirkt der Körper des Wisents etwas schlanker und hochbeiniger. Der Vorderteil des Körpers ist muskulös und massig und wird zum hinteren Teil schlanker.
Der Kopf wird von einem kurzen Nacken getragen und hängt tiefer als Schultern und Rücken. Die Ohren sind behaart und im dichten Fell schnell zu übersehen, die Schnauze hingegen ist haarlos. Sowohl die Männchen als auch die Weibchen tragen seitlich des Kopfes nach innen gebogene Hörner, welche über die gesamte Lebensspanne hinweg weiterwachsen. Das dunkel- bis goldbraune Fell ist im Bereich der Brust und der Kehle länger und bildet dort eine Mähne oder auch Bart, der bei den männlichen Tieren etwas markanter ist. Der Schwanz ist ca. 60 Zentimeter lang und endet in einem Schopf langer Haare. Im Gegensatz zu Unpaarhufern wie Pferden verfügen Wisente über einen gespaltenen Huf, aus zwei parallel verlaufenden, verhornten Zehen.
Die Haut von Wisenten ist sehr elastisch, strapazierfähig und kann an der dicksten Stelle im Nacken bis zu 14 Millimeter dick sein.
Als pflanzenfressende Wiederkäuer verfügen sie über 32 Zähne und vier Mägen, bestehend aus drei Vormägen und einem Hauptmagen. Da die pflanzliche Nahrung einen großen Anteil schwer verdaulicher Zellulose enthält, wird sie in den Vormägen von Bakterien langsam zersetzt und von dem Wisent periodisch wieder hochgewürgt und durch Kauen weiter zerkleinert. Der größte der Vormägen, der Pansen, kann bei ausgewachsenen Tieren ein Volumen von mehr als 100 Litern fassen.
Während das Sehvermögen von Wisenten eher schwach ausgebildet ist, haben sie einen sehr guten Geruchssinn und können so zum Beispiel die Anwesenheit von Menschen aus größerer Entfernung wittern. In der Paarungszeit nutzen die Bullen ihren Geruchssinn, um Herden mit Weibchen aufzuspüren.
In freier Wildbahn können die Kühe ein Alter von 24 Jahren erreichen, während die Bullen mit 18 Jahren nicht ganz so alt werden. Das maximale Alter hängt jedoch stark vom Habitat und dem Futterangebot ab, ebenso davon, ob sie zum Beispiel während der kalten Wintermonate zugefüttert werden. In Gehegen gehaltene Tiere können ein noch höheres Maximalalter erreichen, nämlich 27 Jahre bei den Kühen und 20 Jahren bei den Bullen.
Im Gegensatz zu vielen anderen Arten besitzen Wisente keine typischen Reviere, die sie gegen andere Artgenossen verteidigen. Stattdessen leben sie in großen Streifgebieten, welche sich gegenseitig auch überlappen können. Innerhalb ihres Streifgebietes wechseln die Wisente regelmäßig zwischen verschiedenen Standorten. Die Größe dieser Gebiete ist abhängig von ihrem Habitat und kann zwischen den Jahreszeiten variieren. So beträgt die Größe des Aktionsradius der Wisente im polnischen Białowieża-Urwald während der Sommermonate bis zu 70 Quadratkilometer und in den Wintermonaten nur um die acht Quadtratkilometer.
Die Kühe leben zusammen mit ihren Kälbern sowie den zwei- bis dreijährigen Jungtieren aus den Vorjahren in kleinen Herden von bis zu 20 Individuen, die von einer Leitkuh angeführt werden. Junge Bullen zwischen vier und sechs Jahren verlassen irgendwann die Gruppen und schließen sich häufig zu kleinen, sogenannten Junggesellengruppen zusammen. Die alten, ausgewachsenen Bullen hingegen leben einzelgängerisch und stoßen nur während der Paarungszeit zwischen August und Oktober zu den Weibchen. Im Winter kann die Gruppengröße auf bis zu 120 Tiere ansteigen, da sich die verschiedenen Herden dann an denselben Futterquellen sammeln.
Wisente bevorzugen abwechslungs- und strukturreiche Wälder und Landschaften, welche sie im Laufe der verschiedenen Jahreszeiten mit ausreichend Nahrung versorgen. Dies können sowohl Mischwälder oder auch ein Mix aus Nadelwäldern und Offenlandschaften sein. Während der Vegetationsperiode im Frühling haben sie einen erhöhten Nahrungsbedarf. So können sie ihre im Winter verloren gegangenen Fettreserven wieder auffüllen. Besonders die Weibchen sind dann auf qualitativ hochwertige Nahrung angewiesen, um ihre Fruchtbarkeit während der Paarungszeit zu gewährleisten. In dieser Zeit bevorzugen sie daher die jungen, nährstoffreichen Triebe von Frühjahrsblühern, welche typischerweise am Waldboden von Misch- und Laubwäldern wachsen.
Wisente bevorzugen abwechslungs- und strukturreiche Wälder und Landschaften, welche sie im Laufe der verschiedenen Jahreszeiten mit ausreichend Nahrung versorgen.
Der Beitrag der Wisente für das Ökosystem:
Im Ökosystem spielt der Wisent eine Rolle, die während seiner Abwesenheit durch keinen anderen großen Pflanzenfresser ersetzt werden
konnte. Mit ihrem Fress-, Sozial- und Wanderverhalten tragen Wisente zu einer reicheren Biodiversität bei. Je diverser die Artenvielfalt, desto intakter das Ökosystem.
Wisente bereichern ihre Umwelt durch verschiedene Aspekte. Durch das Wälzen an denselben Stellen kreieren sie beispielsweise Mikro-Lebensräume für Pionierpflanzen, Laufkäfer, Brutplätze für verschiedene Wespenarten und Wärmequellen für Libellen, Schmetterlinge und Reptilien. So entsteht ein gedeckter Tisch für kleine Raubtiere, Vögel oder Fledermäuse, die sich wiederum von diesen kleineren Tieren ernähren.
Über sein Fell trägt der Wisent Saat mit sich, wodurch sich die Pflanzenwelt vermehrt und ausbreitet.
Selbst der Dung des Wisents ist eine Bereicherung, da ein großer nasser Fladen besonders attraktiv für Mistkäfer ist, die sich von diesem ernähren und ihre Eier in die Haufen legen, um sich dort als Larven zu entwickeln. Diese bieten ebenfalls eine Nahrungsquelle für Insektenfresser wie Vögel, Dachse, Fledermäuse. Von Pilzen, die bevorzugt auf Dung wachsen, ganz zu schweigen. Und das sind nur ein paar Beispiele.
Wenn Wisente an Bachläufen trinken, so hinterlassen sie am weichen Untergrund am Ufer Trittspuren. Diese können als geeignete Brutstätte z.B. für Kröten dienen, die in die kleinen nassen Kuhlen laichen. Vögel und Eichhörnchen sammeln das Winterfell der Wisente, um ihre Nester und Kobel zu bauen. Die warme weiche Wolle schützt besonders gut vor Kälte.
Als Äser fressen Wisente nicht nur Gras, sondern auch Laub, Waldfrüchte oder Rinde. Rinderartige wie der Wisent benötigen faserreiche Nahrung. Diese Struktur ist in Rinde zu finden.
Wenn man von Schälschäden an Bäumen spricht, muss klar zwischen wirtschaftlichen Schäden und biologischem Einfluss unterschieden werden. Aus biologischer Sicht kann man nicht von Schälschäden sprechen. Die bisherigen Erkenntnisse zeigen, dass es keinen Anlass zur Annahme gibt, dass der Wald als Ökosystem gefährdet sei. Vielmehr kann selbst eine Verjüngung der Buche, also das selbständige Nachwachsen junger Bäume, festgestellt werden. Die Vitalität der Bäume ist lediglich teilweise und an Hotspots beeinträchtigt. Allerdings wird mit den geschälten Stücken wiederum neuer Lebensraum geschaffen. Aus biologischer Sicht ist dies demnach selbst eine Bereicherung.
„Wisente bauen den Wald langfristig um und schaffen abwechslungsreiche Landschaften und artenreiche Mikrohabitate. Wir sollten der Art wieder die Chance geben, ihre Rolle zu übernehmen. “
Sie gelten als „ökologische Schlüsselart“
Der Wisent ist eine Schlüsselart für einen natürlichen Wald, die seit seinem Verschwinden vor 250 Jahren in Mitteleuropa nicht ersetzt werden konnte durch andere große Pflanzenfresser wie den Rothirsch.
Wisente im Roothaargebirge:
Die sieben Jahre, die die Tiere hier im Rothaargebirge in Freiheit sind, sind ja eine kurze Zeit und dennoch zeigt sich, welchen Einfluss Wisente auf ihre Umgebung haben können. Das haben wir sogar in dem 88 Hektar großen Gelände beobachtet, wo die Wisente drei Jahre lang vor ihrer Auswilderung gelebt haben.
Drei Pflanzenarten sind währenddessen verschwunden und 16 neue Pflanzenarten dazugekommen.
Die biologische Vielfalt steigt, wenn Wisente in einem Gebiet leben.
Wisente sind Wiederkäuer. Die Leitkuh bleibt mit ihrer Herde aus Mutterkühen und Kälbern nicht an einer Stelle, sondern zieht herum. Sie fressen ein paar Stunden, dann ruhen sie stundenlang, um wiederzukäuen, dann stehen sie auf, ziehen weiter, um dort wieder zu fressen. Das machen sie jeden Tag. Die Herde bleibt nicht an einer Stelle, bis dort kein Futter mehr zu finden ist, sondern sie fressen nachhaltig und tragen zur Saatverbreitung bei, hauptsächlich durch ihr dichtes Fell.
Können sich Wisente wieder in Deutschland ansiedeln:
Aus biologischer Sicht kann der Wisent hierzulande leben, auch wenn wir Menschen uns die Landschaft zu Eigen gemacht haben. Die Tiere sind gesund, sie pflanzen sich fort, es ist nur die Frage, ob wir Menschen bereit sind, unsere Landschaft wieder zu teilen mit einer Tierart, die hier ursprünglich vorkam. Da sprechen wir ja nicht nur vom Wisent, sondern vom Wolf, Bär, Luchs, Otter, Biber. Es liegt an uns, den Mensch-Wildtier-Konflikt aufzulösen.
"...sprechen wir ja nicht nur vom Wisent, sondern vom Wolf, Bär, Luchs, Otter, Biber. Es liegt an uns, den Mensch-Wildtier-Konflikt aufzulösen.
Hat Deutschland Platz für wilde Elche und Wisente?
Wisente und Elche waren Jahrtausende lang in unseren Gefilden heimisch, heute fehlen diese großen Pflanzenfresser. Doch in Osteuropa hat ihr Bestand wieder zugenommen und damit auch das Potenzial für eine Einwanderung und Wiederansiedelung in Deutschland. Ob es dafür bei uns überhaupt geeignete Habitate gibt und wie konfliktträchtig die Rückkehr von Wisent und Elch wäre, haben nun Wissenschaftler näher untersucht.
Große Pflanzenfresser wie Wisente und Elche waren lange Zeit wichtiger Teil unserer Ökosysteme – auch hier in Mitteleuropa. Aber die zunehmende Präsenz des Menschen und die gezielte Jagd dezimierte ihre Populationen immer mehr, bis beide Arten schließlich aus Mitteleuropa verdrängt wurden. Während die Elche in Ost- und Nordeuropa weiterhin vorkommen, drohten die Wisente Anfang des 20. Jahrhunderts ganz auszusterben. Aus zwölf in Zoos und Wildgehegen gehaltenen Tieren wurden die europäischen Bisons jedoch wieder vermehrt und vor allem in einer Region an der Ostgrenze Polens ausgewildert.
Heute gibt es wieder mehr als 7000 Wisente in Polen und der Slowakei, eine kleine Herde wurde auch im Rothaargebirge in Deutschland angesiedelt. Seit einigen Jahren wandern zudem immer häufiger Elche und Wisente aus Osteuropa Richtung Westen. Beide werden daher immer wieder auch in Ostdeutschland gesichtet. Das wirft die Frage auf, ob es in Deutschland überhaupt geeignete Lebensräume für diese großen Pflanzenfresser gibt – und ob eine Wiedereinwanderung und Ansiedlung von Elch und Wisent ohne größere Konflikte mit dem Menschen möglich sind. Denn schon die kleine Wisentherde im Rothaargebirge sorgte für Streit und intensive Diskussionen mit Waldbesitzern.
Wie groß das Potenzial für die Rückkehr der beiden großen Pflanzenfresser nach Deutschland und in die östlich angrenzenden Gebiete Mitteleuropas ist, haben nun Hendrik Bluhm von der Humboldt-Universität Berlin und seine Kollegen genauer untersucht. Dafür stellten sie den bisher größten Datensatz zum Vorkommen von Wisent und Elch in Mitteleuropa und nutzten Habitatmodelle, um aus ökologischer Sicht geeignete Lebensräume zu ermitteln. Anschließend nutzten sie Daten zur Landnutzung, Bevölkerungsdichte und der Präsenz menschlicher Infrastrukturen, um Konfliktpotenzial und potenzielle Belastung der Populationen durch den Menschen zu klären.
Das Ergebnis: „Uns hat überrascht, wie viele ökologisch geeignete Lebensräume wir für beide Arten identifizieren konnten” berichtet Bluhm. „Insbesondere im Nordosten Deutschlands wie der Schorfheide und Uckermark oder der Mecklenburgischen Seenplatte, aber auch in den deutschen Mittelgebirgen wie Harz, Spessart, Thüringer Wald oder Pfälzerwald finden wir große Habitatgebiete, die für Elch und Wisent potenziell gut geeignet sein können.” Insgesamt umfassen die in Mitteleuropa für den Wisent geeigneten Lebensräume 120.500 Quadratkilometer, das entspricht 13 Prozent des Studiengebiets.
Besonders ausgedehnte Habitate für den Wisent finden sich in den bewaldeten Landschaften Polens, die an schon existierende Herdengebiete angrenzen, aber auch in den Karpaten. Für den Elch kommen sogar 26 Prozent der Fläche als potenzielles Habitat in Frage, darunter auch die Odermündung, die Lüneberger Heide oder die Schorfheide. Theoretisch würden die großen Pflanzenfresser also auch bei uns genügend Platz und Nahrung finden, um sich wieder anzusiedeln. Voraussetzung wäre allerdings, dass nicht zu viele Barrieren den aus dem Osten einwandernden Wisenten und Elchen den Weg versperren: „Besonders Autobahnen und Schnellstraßen stellen Barrieren für Wisent und Elch dar, vor allem wenn diese hoch eingezäunt sind”, erklärt Blums Kollege Tobias Kümmerle.
Doch noch entscheidender dafür, ob eine Rückkehr von Elch und Wisent möglich ist, ist die gesellschaftliche Akzeptanz.
Die Frage sei daher nicht, ob diese Arten bei uns genügend Platz haben werden, sondern ob und wo wir Menschen ihnen die Rückkehr erlauben.