Wildschwein - Sus scrofa
Wildschweine (Sus scrofa) sind nicht nur urig und wehrhaft, sondern vor allem sehr anpassungsfähig. Das machte sie zum Gewinner in unserer Kulturlandschaft. Durch milde Winter, Futter im Überfluss und viele neue Verstecke durch den zunehmenden Maisanbau haben die schlauen Sauen ihre Population in den vergangenen Jahrzehnten vervielfacht. Doch auch die Konflikte mit dem borstigen Allesfresser nehmen zu.
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Wildschweine sind unverwechselbar: Ihre gedrungene Statur, ihr borstiges Fell und ihr ausgeprägter Rüssel sind typisch für die Urform unserer Hausschweine. Andere Eigenschaften wie ihr besonderes Riechvermögen sieht man ihnen nicht auf den ersten Blick an.
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Augen
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Im Vergleich zu anderen Wildtieren spielt der Sehsinn bei Wildschweinen eine eher untergeordnete Rolle. Immerhin haben sie im Vergleich zu uns Menschen mehr Stäbchen als Zapfen wodurch sie besser in der Dämmerung sehen können. Damit das Auge bei einer Flucht durchs Unterholz nicht verletzt wird, ist es tief im Schädel eingelagert und von der massigen Knochensubstanz des Stirn- und Jochbeins umgeben. Die besonders langen Wimpern der Schwarzkittel sind ein weiterer Schutzmechanismus: Berührt im dichten Unterholz ein Ästchen die feinen Haare, löst dies einen reflexartigen Lidschlag aus. Die derben Augenlieder geben zusätzlich Sicherheit.
Eckzähne
Die Eckzähne erfüllen vor allem bei männlichen, älteren Wildschweinen, den Keilern, eine wichtige Funktion: Sie sind haarscharfe Waffen, die bei der Verteidigung oder während der Rangkämpfe in der Paarungszeit eingesetzt werden. Dafür sind die Eckzähne des Oberkiefers so stark gekrümmt, dass sie nach oben wachsen. Die Eckzähne des Unterkiefers können über 20 cm lang werden, allerdings ragt davon nur etwa ein Drittel aus dem Kiefer heraus. Durch das ständige aneinander Schleifen der oberen und unteren Eckzähne sind sie messerscharf.
Fell und Schild
Neugeborene Frischlinge haben ein hellbraunes Fell mit gelblichen Längsstreifen. Nach drei bis vier Monaten verlieren sie diese Streifen und bekommen ein bräunliches Jugendfell. Vor dem Winter wachsen Wildschweinen lange, dunkelgraue bis schwarze und borstige Deckhaare und kurze feine Wollhaare, zwischen denen winzige Luftkammern den Körper vor Auskühlung schützen. Keiler haben am Rumpf unterhalb des Fells eine deutliche Hautverdickung aus Bindegewebsfasern - das sogenannte Schild – das sie bei Kämpfen in der Paarungszeit vor schweren Verletzungen schützt.
Unter all unseren Wildtieren ist das Wildschwein wahrscheinlich das vielseitigste. Seine Verbreitung erstreckt sich von den meisten Ostseeinseln bis in die Voralpen, auf seinem Speiseplan stehen frische Früchte und Getreide ebenso wie Gras oder Aas und durch seine Fortpflanzungsbiologie kann die Art jederzeit auf wechselnde Umweltbedingungen reagieren.
Nahrung
Wildschweine sind im wahrsten Sinne des Wortes Allesfresser. Begonnen bei Blättern, Trieben, Wurzeln und Früchten der Bäume über Gräser, Kräuter, Pilze und Flechten bis hin zu Weichtieren, Insekten, Eiern, Vögeln, kleinen Säugetieren und schließlich Aas reicht das Nahrungsspektrum der Schwarzkittel. Dadurch finden Wildschweine bei uns fast überall geeigneten Lebensraum. Nur in lang anhaltenden Frostphasen sind sie auf ihre Fettdepots angewiesen, die sich im Herbst in der Bauchhöhle und der Unterhaut gebildet haben.
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Fortpflanzung
Die Paarungszeit der Wildschweine sind die Monate November bis Januar und nach einer Tragzeit von etwa vier Monaten kommen im Frühjahr durchschnittlich sechs Frischlinge zur Welt. Eigentlich. Denn in freier Wildbahn paaren sich Wildschweine mittlerweile fast das ganze Jahr. Durch die milden Winter und das Nahrungsangebot in der Feldflur, sind weibliche Frischlinge bereits nach wenigen Monaten selbst geschlechtsreif. Man hat errechnet, dass eine Wildschweinpopulation ihren Bestand innerhalb eines Jahres theoretisch verdreifachen kann.
Malen und Sulen
Kein anderes heimisches Wildtier liebt es so sehr zu Malen wie die Wildschweine. Allerdings nicht mit dem Pinsel, sondern mit ihrer vollen Breitseite. Die Wildschweine stemmen ihren Körper dafür an einen möglichst borkigen, harzigen Baumstamm und scheuern sich ausgiebig von vorne bis hinten. Im Gegensatz zum Schlammbaden, dem Suhlen, bei dem es im Sommer vor allem darum geht, sich abzukühlen und Parasiten loszuwerden, ist das Malen ein echtes Komfortverhalten und für Wildschweine ein reines Vergnügen.
Schwarzwild schubbert sich, besonders nach dem Suhlen, gerne an bestimmten Bäumen.
Dies tut es gerne an sogenannten Malbäumen. Malbäume sind Bäume, die Rotwild, Wildschweine oder Dachse dazu nutzen, um ihre Decke bzw. die Schwarte daran zu scheuern oder zu malen.
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Besonders Baumarten mit grober Rinde und starkem Harzfluß werden von den Schwarzkitteln bevorzugt. Sind diese nicht vorhanden, werden auch glattrindige Arten genutzt.
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Rot- und Schwarzwild reibt sich aus der Suhle kommend an einem nahe stehenden Baum (Maalbaum). Dieses Vorgehen dient dem Wohlbefinden der Tiere und hilft dabei, Parasiten zu entfernen. Malbäume werden von den Tieren meist nach dem „Suhlen“ aufgesucht. Dadurch sind Malbäume auch durch den abgestreiften Schlamm leicht erkennbar.
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Jäger können durch anhaftende Haare, durch die Höhe der „Scheuerstellen“ und durch eventuelle Rindenverletzungen durch die Geweihe der Hirsche oder die Hauer der Keiler Rückschlüsse auf das vorhandene Wild ziehen.
Da Malbäume eine zentrale Rolle für das Wohlbefinden des Wildes sind, halten diese Rotwild und Sauen im Revier und lassen sie nicht abwandern. Zudem befinden sich die Malbäume häufig in Einstandsnähe.