Der Wolf aus der Sicht eines Biologen:
Deutschlands bekanntesten Wolfsfilmer Sebastian Koerner
"Es gibt so viele Forschungsprojekte über die Interaktionen/den Einfluss von Wölfen auf ihre Beutetiere. Es gibt aber sehr wenige Projekte die den Einfluss von menschlichen Jägern auf ihre Beutetiere untersuchen."
Wölfe und ihre Beutetiere sind in jahrmillionen Jahren entstanden. Das Wesen der Beutetiere ist ihre Wachsamkeit und ihr Feindvermeidungsverhalten. Die großen Ohren, die guten Nasen, die guten Augen, die langen Läufe, die dicken Schwarten bei den Wildschweinen...
... das besondere ist, wenn zum Beispiel Rothirsche in der Brunft auf einer Wiese stehen und auf einmal kippt der dickste, der stärkste und schönste und tollste aufeinmal tot um. Keiner weiß warum. Sie wissen garnicht wie sie sich dessen erwehren können und welche Strategie sie verfolgen sollen. Es ist völlig unnormal, dass der stärkste Hirsch, der voller Adrenalin ist vom Wolf gerissen wird.
...es ist nicht sinnvoll sich zu merken die ganze Zeit Angst zu haben, es ist aber sinnvoll sich zu merken, wenn es noch Tag ist, Licht ist, kann ich Opfer werden vom Nichts, von dem plötzlichen Tot aus heiterem Himmel. Deshalb verlagert das gesamte Wild seine Hauptaktivität in die Nacht bei uns und dass ist unnatürlich.
Das Wild hat kein Problem mit der Bejagung durch die Wölfe, es hat in gewisser Weise schneller und leichter Probleme mit der Bejagung durch den Menschen.
Ohne die Bejagung durch den Menschen, wäre hier keine Land- und Forstwirtschaft möglich. Denn die Wölfe begrenzen den Bestand nach oben auf die ökologische Kapazität der Landschaft. D.h. in einem fruchtbaren Land in dem es viele Pflanzen gibt, wird es immer viele Pflanzenfresser geben, obwohl Wölfe da sind.
Die Wölfe verhindern nur, dass der Pflanzenfresser Bestand so hoch wird, dass diese sich ihre eigene Nahrungsgrundlage kaputt fressen.
Matthias Kays:
... man hört das Motorengeräusch vom Auto des Jägers und alle hauen ab. Der Einfluss vom menschlichen Jäger auf das Wild ist so viel höher.
"Stell Dir vor Du gehst ins Restaurant essen und jedesmal wenn Du dort bist, knallt es und jemand fällt tot vom Stuhl. Dann gehst Du da doch auch nicht mehr hin essen."
Matthias Kays:
Jäger haben einen extrem schlechten Einfluss auf das Wild, mit dem Wolf kommt das Wild gut klar. Die kennen sich schon seit Ewigkeiten und dass funktioniert einfach super.
Die Angst der Jäger kommt vom Beuteneid. Nicht bei allen Jägern, aber die Mehrheit der Jäger ist leider ein Totalausfall.
Sebastian Koerner:
Wölfe jagen nicht strategisch. Das normale Wolfsrudel ist eine Kleinfamilie. Spätestens mit der Geschlechtsreife verlassen die Jungtiere das Rudel und gehen in ein anderes Gebiet und deshalb kann das Rudel garnkeine großartigen Strategien entwickeln.
Wölfe sind in der Lage ihre Beute alleine zu finden, die brauchen da nicht die Raben dafür. Raben sind clever, denn sie wissen, wenn Wölfe jagen gibt es Beute.
"Der Wolf reguliert sich selbst, wir müssen da garnichts tun."
Sebastian Koerner:
Die Wölfe regulieren ihre Verteilung in der Landschaft in dem sie sehr territorial sind. Wölfe sind dem Nachhaltigkeitsgedanken verpflichtet. So dass genug Beutetiere in ihrem Territorium vorhanden sind.
Nicht nur im Augenblick, sondern auch später und so verteilen sie sich über die Landschaft. Da muss der Mensch garnichts machen. Die grundsätzliche Idee, dass Wölfe reguliert werden müssen ist falsch.
Die Beutegreifer müssen nicht reguliert werden, die tun dass selber. Die werden von ihren Beutetieren im Bestand festgelegt.
Es ist anmaßend, zu denken, dass wir alles regulieren und managen müssen. Es läuft alles perfekt, bis der Mensch eingreift.
"Es läuft alles perfekt, bis der Mensch eingreift."
Wir maßen es uns an immer zu entscheiden, wer was wie wann zuviel ist. Die Natur kann das ganz gut selbst.
Einfach mal die Natur Natur sein lassen, einfach mal in Ruhe lassen.
Deutschland ist ein von Menschen erschaffenes Paradies für Rehe, Hirsche und Wildschweine.
Die Vorstellung dass wenn der größtgünstigste Erhaltungszustand erreicht ist, beginnt die Wölfe zu regulieren, also zu töten, dass ist irre. Wir wollen doch gerade, dass der Erhaltungszustand günstig ist. Wenn dass so ist, dann sollten wir doch froh sein, dass dies so ist und man hat ja auch die Verantwortung diesen Zustand zu erhalten.
Ohne Bejagung könnten wir irgenwann mal sagen, wir fahren das Monitoring auf die Basics zurück und machen nur noch stichprobenartig Kontrollen.
Anhand der Rückkehr des Wolfes steht das Selbstverständnis der Jäger auf dem Prüfstand. D.h. es gibt Jäger die möchten eine bestimmte Anzahl an Tieren "ernten" können, sie zahlen ja auch schließlich ihre Jagdpacht. Und es gibt die in Westdeutschland die meinen sie müssten seit der Ausrottung des Wolfes dessen Aufgabe übernehmen.
Und es gibt die welche schauen was in der Natur läuft, zu ermöglich dass der Bauer auf dem Feld was ernten kann und die dem Naturhaushalt das an Wildtieren entnehmen, was möglichst und was nötig ist.
Der Wolf gehört als top Beutegreifer zum Naturhaushalt dazu. Er hat eine wichtige Aufgabe und er muss von seiner Ökologie her nicht reguliert werden. Sein Bestand muss durch seine Beutetiere begrenzt werden.
Ein Abschießen von Wölfen ändert nichts am Herdenschutz. Es hat keinen Mehrwert oder Gewinn für den Herdenschutz. Man muss seine Tiere schützen, egal ob da ein Wolf ist oder hundert. Solange auch nur ein Wolf auf der Fläche ist, muss man seine Tiere schützen. Eine Bejagung bringt nichts. Nichts, wenn man sich erhofft, dass man dann seine Tiere nicht mehr beschützen muss.
Ein Hauptproblem ist der fehlende oder mangelhafte Herdenschutz, dass die Weidetiere oft dem Wolf schutzlos ausgeliefert sind. Es ist leider immer noch nicht in den Köpfen der Weidetierhalter angekommen, dass sie schützen müssen, dass sie zäunen müssen.
Aktiver Tierschutz heißt, man zäunt richtig und schützt dass was man lieb hat.
Der Hauptreibungspunkt mit Wölfen ist die Weidetierhaltung.
Hier der Link zur kompletten Podcastfolge:
Seit 2003 dokumentiert der Verhaltens-Biologe Sebastian Koerner die Rückkehr der Wölfe nach Deutschland mit der Filmkamera.
Seine Aufnahmen freilebender Wölfe wurden in zahlreichen Dokumentationen und Reportagen gezeigt. 2007 produzierte Sebastian Koerner seinen ersten eigenen Film über die „Wölfe in der Lausitz“. 2012 wurde seine 45-min Dokumentation „Deutschlands wilde Wölfe - Wie sie wirklich sind“ in der traditionsreichen NDR-Reihe „Expeditionen ins Tierreich“ ausgestrahlt.
Für „Familie Wolf - Gefährliche Nachbarn?“ arbeitete Sebastian Koerner das erste Mal mit dem renommierten Naturfilmautor Herbert Ostwald und mit der Längengrad Filmproduktion GmbH zusammen.
Verhaltensbiologe Sebastian Koerner
Die drei TV-Wolf-Dokus von Sebastian Koerner:
"Deutschlands wilde Wölfe - wie sie wirklich sind" NDR und BR "Familie Wolf - Gefährliche Nachbarn?" wurde 2017 auf ARTE ausgestrahlt, später in der WDR-Reihe "Abenteuer Erde" Bis 27.7.24 in der ARD Mediathek ist dieser Film von Sebastian Koerner: https://www.ardmediathek.de/video/alpha-doku/die-wolfsaga/ard-alpha/Y3JpZDovL2JyLmRlL2Jyb2FkY2FzdC9GMjAyM1dPMDA1MDk0QTA DBBW, die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf
Infos zu Wölfen allgemein und zu Wolfsnachweisen und Rudeln im Land: https://www.dbb-wolf.de/
Das LUPUS Institut erforscht und überwacht die natürliche Wiederansiedlung der Wölfe in Deutschland: https://www.lupus-institut.de/
Der Einfluss menschlicher Jagd und Landnutzung auf Rothirschbestände in Europa ist stärker, als der von Wölfen und anderen Beutegreifern: https://kommunikation.uni-freiburg.de/pm/2024/rothirschbestaende-in-europa-staerker-vom-menschen-beeinflusst-als-von-woelfen-und-anderen-beutegreifern